6 Tipps für das Spielen vor Publikum

Lampenfieber ist kein schönes Gefühl. Wie Ihr lernen könnt, damit umzugehen, erfahrt Ihr in diesem Beitrag. Packt den Stier bei den Hörnern!

Mein Nachbar Holger fragte mich vor ein paar Wochen, ob er sich mein Keyboard ausleihen könne. Er wolle beim 70. Geburtstag seines Vaters keine Ansprache halten, sondern es sich „leichtmachen“ und ein bisschen Klavier vor den anwesenden Rentnern spielen. Da er selbst einen massiven Steinway-Flügel besitzt, war ihm mein tragbares Keyboard gerade recht.

Als der Tag des Geburtstags kam und sich Holger mein Keyboard holte, verfluchte er seine Idee. Der Gedanke, vor Publikum – auch wenn es „nur ein paar Rentner“ waren – spielen zu müssen, versetzte ihn in eine Mischung aus schlechter Laune und Panik. Dabei ist Holger sonst ein selbstsicherer Mensch, und wie ich durch die Wand beurteilen kann, ist sein Klavierspiel durchaus gut. Aber gegen Lampenfieber ist offenbar niemand gefeit.

Lampenfieber ist menschlich

Fragen wir den Fachmann: „Lampenfieber basiert auf einem ganz natürlichen Instinkt, der bei Stress in uns ausgelöst wird“, sagt Dominik Schirmer, Direktor für Instrumentallehre bei Skoove. „Fast jedem Musiker geht es so. Einige Quellen berichten, dass 94 Prozent der professionellen Orchestermusiker vor dem Auftritt Lampenfieber haben.“ Dieses Phänomen betrifft also fast jeden Musiker – vielleicht mit Ausnahme derjenigen, die schon seit Jahren auftreten oder die besonders abgebrüht sind.

Dominik Schirmer, der Jazzpianist, Komponist und Songwriter ist, macht allen Leidtragenden Hoffnung: Lampenfieber sei gesund, und man könne lernen, es zur Leistungsverbesserung zu nutzen. „Das Geheimnis ist, nicht zu versuchen die Angst zu überwinden, sondern sie zu kontrollieren“, sagt er. Sechs Tipps helfen dabei, Lampenfieber zu bewältigen.

1. Vorbereitung

Was man vorführen möchte, sollte man gut geübt haben. Dabei sollte man nicht nur regelmäßig das Gesamtwerk üben, sondern die schwierigsten Passagen erkennen und besonders viel Zeit für sie aufzuwenden.

2. Selbsteinschätzung

Wer Stücke spielt, die für ihn zu anspruchsvoll sind, wird leicht frustriert. Für den Auftritt vor Publikum eignen sich die Stücke, die man am besten kann und mit denen man sich am wohlsten fühlt. Wer regelmäßig übt, wird sein Repertoire mit der Zeit vergrößern. Beim Musizieren geht es darum, die Freude am Klang zu teilen, nicht aber zu beweisen, wer der Beste ist.

3. Simulation des Auftritts

Wer die Auftrittssituation im Wohnzimmer nachstellt, kann sich mit ihr schon einmal ohne Publikum vertraut machen. Wir zitieren skoove.com: „Setze dich auf deine Klavierbank, schlage deine Noten auf, holen tief Luft und spiele das ganze Stück bis zu Ende. Wenn du einen Fehler machst, versuche, das Stück zu beenden und so zu tun, als würdest du vor Publikum spielen – auch wenn du allein bist. Wiederhole diese Simulation mehrfach. Mit der Zeit wirst du immer sicherer werden.“ Hilfreich fand Dominik Schirmer die Erkenntnis, dass es kein Weltuntergang sei, einen Fehler zu machen, und er ein Stück trotz des Fehlers einfach zu Ende spielen kann.

4. Fange klein an

Der erste Auftritt sollte nicht gleich in der Elbphilharmonie stattfinden, sondern vor vertrauten Menschen. Wer sich auch das nicht zutraut, kann sich ein Publikum aus Haustieren oder Stofftieren zusammenstellen. Alles, was hilft, um sich an eine Auftrittssituation zu gewöhnen, ist recht.

5. Konzentration

Wer auftritt, sollte sich nicht um die Menschen und die Geräusche um sich herum konzentrieren, sondern ausschließlich auf sich selbst, seine Noten und sein Instrument. Ob das mithilfe einer Atemtechnik oder anderen persönlichen Wohlfühltricks gelingt, ist egal – Hauptsache, es gelingt.

6. Ruhe

Häufig passiert aufgeregten Musikern der Fehler, dass sie ihr Stück viel zu schnell spielen – und sich dann auch noch verspielen. Wer sich dieses Problem bewusstmacht, hat es schon halb besiegt. Noch einmal Dominik Schirmer: „Es hilft, den Anfang des Stückes leise im Kopf zu summen und während des Spiels bewusst nicht zu beschleunigen, vor allem bei den schwierigeren Abschnitten des Stückes.“

Im übrigen ist Lampenfieber oft auch altersabhängig: Wer schon als Kind die ersten kleinen Auftritte in seiner Musikschule oder vor seiner Familie hat, ist oft kaum nervös – wie mein Sohn, der sich als fünfjähriger Klavierschüler bei seinem ersten Auftritt verspielte, lachend „Quatsch“ sagte und vergnügt noch einmal anfing. Schwieriger wird es offenbar später: „Bei mir wurde es in der Pubertät am krassesten“, berichtete mir mein Kollege Günther. „Plötzlich wird man empathischer und fragt sich, was andere über einen denken.“

Aber egal, wie groß das Lampenfieber zurzeit ist, mit den hier bei PianoMe genannten Tricks lässt es sich in jedem Fall lindern.

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