Musiklehrer:innenmangel: Ein dringender Appell für die Zukunft der musikalischen Bildung

Musiklehrer:innenmangel: Ein dringender Appell für die Zukunft der musikalischen Bildung

Bereits vor rund einem Jahr haben wir uns in einem Blogbeitrag mit dem Thema des „Musiklehrer:innenmangels“ befasst. Am 25. November 2025 wurde nun in Berlin – parallel auch digital – die aktuelle Untersuchung „MiKADO-Musik“ präsentiert. Hinter dem Titel verbirgt sich die Langfassung: „Mangel an Nachwuchs im Künstlerisch-Pädagogischen Bereich an Ausbildungsinstituten in Deutschland und Österreich“. Die Verantwortlichen machen unmissverständlich deutlich, wie ernst die Lage ist: Die Musikschulen steuern auf einen massiven Mangel an qualifizierten Lehrkräften zu – mit der Folge, dass zahlreiche Unterrichtsangebote wegfallen könnten.1


Für alle, die musikalische und künstlerische Bildung als wesentlich erachten, zeichnet sich hier eine äußerst besorgniserregende Entwicklung ab. Musikschulen sind für viele Kinder und Jugendliche der erste Ort, an dem sie ein Instrument entdecken oder ihre Stimme ausbilden können. Doch genau diese Zugänge zur musikalischen Welt drohen zunehmend zu versiegen – schlicht, weil das Personal fehlt, um sie offen zu halten.

Musiklehrer:innenmangel: Zahlen, die alarmieren — und ein System am Kipppunkt

Die zentralen Befunde der MiKADO-Musik-Studie lassen wenig Interpretationsspielraum und zeichnen ein alarmierendes Bild2:

  • Bis 2035 werden nach aktuellen Berechnungen rund 14.700 Musikschullehrkräfte altersbedingt ausscheiden.
  • Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass lediglich etwa 4.000 Absolvent:innen aus den Studiengängen für Instrumental-, Vokal- und Elementare Musikpädagogik nachrücken.

Die Konsequenz ist gravierend: Innerhalb von zehn Jahren könnte rund drei Viertel der freiwerdenden Stellen an Musikschulen unbesetzt bleiben. Gleichzeitig bleibt der Bedarf an Musikunterricht hoch – vielerorts wächst er sogar weiter. Wenn nicht rasch mehr Fachkräfte ausgebildet werden, rechnet die Studie damit, dass mindestens 500.000 Kinder und Jugendliche künftig ohne Zugang zu Musikunterricht sein könnten. Damit würde sich das Angebot an musikalischer Förderung dramatisch verengen – mit langfristigen Folgen für die kulturelle Bildung in Deutschland insgesamt.

Im Kern bestätigt die neue Untersuchung die Entwicklungen, die bereits die im Jahr 2024 veröffentlichte Studie „Lehrkräftemangel in den Fächern Kunst und Musik“ aufgezeigt hat. Schon damals wurde ein erheblicher Engpass für die Sekundarstufen I und II prognostiziert. Die jetzt vorgelegte MiKADO-Musik-Studie verstärkt diesen Befund und macht deutlich: Die Situation hat sich nicht entspannt, im Gegenteil: Sie hat sich weiter zugespitzt

Warum gelingt es nicht, den Bedarf zu decken?

Die Studie zeigt deutlich, warum nur wenige junge Menschen eine musikpädagogische Ausbildung oder den Beruf an Musikschulen ergreifen. Mehrere Faktoren spielen dabei zusammen:

  • Ungünstige Arbeitsbedingungen: Viele Lehrkräfte an Musikschulen berichten von einer unzureichenden Vergütung, hoher Arbeitsbelastung und wenig verlässlichen beruflichen Perspektiven. Diese Rahmenbedingungen schrecken potenzielle Nachwuchskräfte ab.
  • Geringe gesellschaftliche Wertschätzung: Musikpädagogik wird häufig eher als „Hobbyberuf“ wahrgenommen, denn als verantwortungsvoller pädagogischer Beruf. Dadurch fehlt die Anerkennung, die vergleichbare Professionen – etwa im Lehramt oder der Pflege – selbstverständlich erfahren.
  • Begrenzte Studienangebote: Selbst motivierte Bewerber:innen stoßen oft auf zu wenige Studienplätze sowie eine Ausbildung, die vielerorts noch zu wenig Praxisbezug bietet.
  • Lückenhafte Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Musikschulen: Verbindliche Strukturen, die den Übergang vom Studium in den Berufsalltag erleichtern, sind selten. Das erhöht die Unsicherheit für Absolvent:innen und erschwert den Einstieg in den Beruf.

All diese Aspekte greifen ineinander und verstärken sich gegenseitig: Der Beruf wirkt unattraktiv, dadurch beginnen weniger junge Menschen ein entsprechendes Studium. Die geringe Zahl an Nachwuchskräften verschärft wiederum die Arbeitsbedingungen der vorhandenen Lehrkräfte – ein Kreislauf, der sich ohne gezielte Gegenmaßnahmen weiter zuspitzt.

Im Kern decken sich diese Ursachen mit den Ergebnissen der Vorjahresstudie. Nach unserer Einschätzung müssen jedoch weitere Einflussfaktoren in Betracht gezogen werden: So führen etwa Kürzungen im schulischen Musikunterricht sowie die Folgen des sogenannten Herrenberg-Urteils zu zusätzlichen Belastungen im System.

Auch die regionale Komponente spielt eine große Rolle: Besonders in ländlichen Gebieten ist der Mangel an qualifizierten Musiklehrer:innen deutlich stärker ausgeprägt. Oft gelingt es nicht, Fachkräfte langfristig in diesen Regionen zu halten oder überhaupt für eine Tätigkeit dort zu gewinnen.

Nicht zuletzt bleibt die Diskrepanz zwischen der hohen pädagogischen Verantwortung und den schwierigen Beschäftigungsbedingungen zentral: Viele Musikschullehrkräfte müssen jährlich befristete Verträge, geringe Stundenzahlen und häufig auch zusätzliche Nebenjobs in Kauf nehmen, um finanziell über die Runden zu kommen. Eine stabile berufliche und wirtschaftliche Basis lässt sich so nur schwer aufbauen.

Warum der Musiklehrer:innenmangel uns alle betrifft

Musikunterricht ist weit mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Er bildet einen zentralen Bestandteil kultureller und ästhetischer Bildung und öffnet jungen Menschen den Weg zu Kreativität, sozialer Teilhabe und gemeinschaftlichem Erleben. Für viele Kinder und Jugendliche ist die Musikschule ein Ort des Miteinanders, der persönlichen Entwicklung und des künstlerischen Ausdrucks.

Wenn künftig rund 500.000 Schüler:innen keinen Zugang mehr zu Musikschulangeboten haben, entsteht eine besorgniserregende Situation: Eine Gesellschaft, in der kulturelle Bildung und kreatives Lernen nicht mehr selbstverständlich sind, sondern zunehmend zu einem Privileg werden. Besonders Kinder und Jugendliche aus weniger privilegierten Familien wären davon betroffen.

Die Folgen könnten das gesamte musikalische Ökosystem erschüttern: Hobbymusizierende, Nachwuchsorchester, Chöre, Laienensembles und semiprofessionelle Gruppen – sie alle sind darauf angewiesen, dass junge Menschen früh einen Zugang zur Musik finden. Eine schwächer werdende Basis gefährdet langfristig die Vielfalt des Musiklebens.

Was jetzt getan werden muss — konkrete Maßnahmen und Perspektiven

Die Studie sowie die beteiligten Verbände und Institutionen formulieren deutliche Handlungsoptionen und zugleich die Bereitschaft, an Lösungen mitzuarbeiten:3

  • Nachwuchs gezielt fördern: durch Mentoring-Modelle, Informationsangebote und aktive Berufsorientierung – idealerweise bereits in Schulen, Musikklassen oder Jugendensembles.
  • Praxisnahe Studiengänge ausbauen: mehr Studienplätze, stärkere Berufsorientierung und klare Übergangsstrukturen, die den Weg in die Musikschulpraxis erleichtern.
  • Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern: faire Honorare, stabile und verlässliche Verträge sowie Rahmenbedingungen, die eine langfristige berufliche Perspektive ermöglichen.
  • Gesellschaftliche Anerkennung stärken: Musikpädagogik als gleichwertige Aufgabe im Bildungssystem verstehen und entsprechend wertschätzen – politisch, institutionell und öffentlich.
  • Engere Zusammenarbeit aller Akteur:innen: Musikhochschulen, Musikschulen, Kommunen, Länder und Bund sollten gemeinsam an lösungsorientierten Strategien arbeiten – beispielsweise über eine koordinierte Bund-Länder-Arbeitsgruppe.

Ein Appell – an Politik, Gesellschaft und uns alle

Die „MiKADO-Musik“-Studie ist weit mehr als ein nüchternes Zahlenwerk. Sie erhebt Anspruch, wachzurütteln. Sie ruft dazu auf, musikalische Bildung als Zukunftsaufgabe zu verstehen. Wenn wir zulassen, dass Musikunterricht zum Privileg wird, verlieren wir nicht nur Bildungschancen, sondern auch kulturelle Teilhabe, Vielfalt und gelebte Gemeinschaft.

Politik und Verwaltung sind gefordert, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Doch ebenso wichtig ist das Engagement der Zivilgesellschaft: Eltern, Schulen, Vereine und Jugendzentren können dazu beitragen, Musik als festen Bestandteil von Bildungsbiografien zu erhalten.

Denn Musik ist kein Luxusgut. Sie gehört zur kulturellen Grundversorgung. Die Zukunft musikalischer Bildung entscheidet sich nicht allein in Studien und Statistiken – sie liegt darin, welchen Stellenwert Musik in unserer Gesellschaft einnehmen soll und welchen Wert wir ihr gemeinsam beimessen.

PianoMe ist nicht nur bereit, sondern auch bereits dabei, sich aktiv an den notwendigen Veränderungen zu beteiligen und eigene Ressourcen einzubringen, um gemeinsam echte Perspektiven für zukünftige Musiker:innen zu schaffen.


  1. https://www.musikrat.de/en/media/latest-news/meldung/500000-schuelerinnen-verlieren-ihren-musikschulunterricht?  (zugegriffen am 27.11.2025) ↩︎
  2. https://www.musikrat.de/en/media/latest-news/meldung/500000-schuelerinnen-verlieren-ihren-musikschulunterricht? (zugegriffen am 27.11.2025) ↩︎
  3. https://www.musikrat.de/en/media/latest-news/meldung/500000-schuelerinnen-verlieren-ihren-musikschulunterricht? (zugegriffen am 27.11.2025) ↩︎