Dieses Mal konnten wir die Flötistin Gerda Moser-Kindler für ein Interview gewinnen. Wir sprachen über ihre aktuellen Projekte sowie ihre Unterrichtstätigkeit und viele weitere interessante Aspekte ihres Lebens. Im Gespräch mit uns erzählte sie außerdem, warum PianoMe ihrer Meinung nach eine gute Alternative für Musikschüler:innen darstellt und warum so eine Plattform für Musiker:innen auf Reisen hilfreich sein kann.
PianoMe (PM): Liebe Gerda, es ist uns eine große Freude, dass Du zu einem Interview mit PianoMe bereit bist!
Gerda Moser-Kindler (GMK): Herzlichen Dank für die Möglichkeit!
PM: Zuerst wollen wir Dich gerne kurz unseren Leserinnen und Lesern vorstellen, obwohl Dich viele sicherlich bereits kennen: Du hast in Ungarn Querflöte gelernt und dort die Fachmittelschule für Musik absolviert. Anschließend hast Du Dein Studium auf der Universität Mozarteum in Salzburg fortgesetzt. Nachdem Du viele Jahre lang Klassik-, Jazz- und sogar Flöten-Beatbox-Konzerte gespielt hattest, begannst Du später auch Musik für Theater und Film zu produzieren. Außerdem blickst Du auf 22 Jahre pädagogische Erfahrung zurück. Das spricht doch alles für sich…
GMK: Danke! Das hoffe ich doch! Ich habe in Ungarn eine sehr strenge und traditionsbewusste Ausbildung genossen. Das hat mir auf der Universität sehr geholfen. Allerdings wollte ich mehr kennenlernen und habe Jazz- und Popularmusik als Schwerpunkt gewählt. Das Beatboxen kam erst viel später. Dass mein mittlerweile Ehemann Breaker ist – Breaktänzer ist die falsche Bezeichnung! – lenkte mich dann Richtung Tanztheater, Beatboxen und Komponieren. Unterrichten wollte ich ursprünglich gar nicht. Erst mit 20, während meines Studiums, wurde mir klar, dass ich es mag und auch kann (lacht).
PM: Diese vielen Erfahrungen haben Dich sicherlich zu einer vielschichtigen Musikerin geformt. Lass uns aber unser Interview mit den „Anfängen“ Deines musikalischen Weges beginnen. Wie hast Du Dein Instrument ausgewählt? Gibt es ein prägendes Erlebnis?
GMK: Ich war 9 Jahre alt, als meine Mutter mich in die Musikschule mitgenommen hat. Ich wollte eigentlich Oboe spielen, aber das Instrument gab es bei uns in der Kleinstadt nicht. So wurde statt mir entschieden, dass ich Querflöte lernen sollte, und zwar von meiner Großmutter. Weil meine Großmutter- die selbst Sängerin war- deren Klang so gerne hatte. Aber alles erst nach einer gelungenen Aufnahmeprüfung, wo ich Rhythmusgefühl, Musikalität und ein gutes Gehör aufweisen musste.
PM: Das hört sich sehr spannend an! Ich habe mal gelesen, dass Beethoven sich zu Lebzeiten nicht dazu entschließen konnte, für die Flöte zu schreiben. Der Grund: Er hielt das Instrument für zu begrenzt und zu unvollkommen. Hat er damit ganz und gar unrecht?
GMK: Ich denke, dass für all die genialen Ideen, die Beethoven gehabt hat, die Flöte wohl an ihre Grenzen gestoßen ist. Was Tonumfang oder Lautstärke betrifft, sind uns andere Instrumente im Voraus, vor allem im orchestralen Bereich. Auch Mozart hat sich beschwert, da muss etwas dran sein (lacht).
Andererseits gibt es für mich kaum etwas Vollkommeneres wie J.J.Quantz oder Friedrich der Große auf der Traversflöte.
PM: Sehr interessant! Gibt es zeitgenössische Komponist:innen, die es geschafft haben, der Flöte gewisse neue Klangfarben zu entlocken?
GMK: Ich würde sagen, es waren eher aktive Flötisten, die Neues entwickelt und es dann niedergeschrieben haben. Robert Dicks Heft „Neuer Klang durch neue Technik” ist schon lange ein Standardwerk für jeden Flötisten. Steve Kujala hat das Bending auf ein Meisterlevel gebracht – super zu hören auf dem gemeinsamen Album mit Chick Corea „Voyage”. Absolut einmalig finde ich Rahsaan Roland Kirks Version von „Ain’t No Sunshine”, in der er gleichzeitig die Flöte spielt und in die Flöte singt, sodass man den Text versteht! Ittzés Gergely, ein ungarischer Flötist, hat eine Übungstabelle für Multiphonics entwickelt und spielt alle Paganini Capricen samt Akkorden. Ich habe ihn live erlebt. Wow…. um nur einige zu nennen.
PM: Wo wir gerade über zeitgenössische Komponist:innen sprechen: Was ist Deiner Meinung nach die Rolle der zeitgenössischen Komponist:innen im modernen Klassikbetrieb? Muss man diese Rolle verbessern und falls ja, wo müsste man dann ansetzen? GMK: Ich tat mich immer schwer mit der Interpretation von zeitgenössischer Musik. Aus diesem Grund beschäftige ich mich auch nicht mit dieser Musikrichtung. Atonale Tonfolgen, schwere Rhythmen und eine Seite voll mit Spielanweisungen vom Komponisten können leicht irreführen und einen denken lassen: Diese Musik muss und kann man nicht verstehen. Es ist eher nur ein großer Wirrwarr und nicht mehr. „Zeitgenössisch“ heißt für mich schlicht im „Hier und Jetzt”. Mein Wunsch wäre, dass auch in diesen Werken immer eine sehr persönliche Note, eine Aussage, ein Grundgefühl zu erkennen ist, ein Faden, den man aufgreifen, folgen und weiterentwickeln kann. Das ist allerdings nur mein persönliches Empfinden.
PM: Danke Dir für Deine Meinung! Bei dem Wort „Flöte“ denke ich sofort an die gute alte Blockflöte aus dem klassischen Schulunterricht. Ich weiß aber, dass Du Dich für verschiedene Flöten (Indianerflöten, chinesische Dizi, ungarische Volksflöten usw.) interessierst. Was sind die klanglichen Unterschiede zwischen diesen Flöten und was macht sie jeweils aus?
GMK: All diese Flöten haben die Gemeinsamkeit Holz. Dieses natürliche Material erzeugt einen wärmeren, oft rauchigeren Ton, je nach Typ und Charakter des Holzes. Bei diesen Flöten sehe ich immer saftigere, dunklere und rundere Farben von hell, beige bis dunkelbraun und weinrot. Wenn ich mit der ungarischen und mit der chinesischen Flöte spiele, fühle ich mich meiner Kultur und meinen Ahnen verbunden. Die Indianerflöten sind sehr spirituell und haben die magische Eigenschaft, jeden tief in seinem Inneren zu erreichen. Ich spiele diese Flöten so gerne, weil sie mir so viel Wärme und das Gefühl geben, mit dem Universum verbunden zu sein.
PM: Spannend! Ich denke, das ist jetzt dann genau der richtige Zeitpunkt, um über Deine pädagogischen Aktivitäten zu sprechen. Wie hast Du Deine eigene Ausbildung erlebt? Was nimmst Du davon für Dein Unterrichten mit? Was ist für Dich im Musikunterricht zentral?
GMK: Meine Professorin, Frau Hertha Mergl, war eine sehr besondere Persönlichkeit und ich fühle mich privilegiert, unter ihrer Leitung studiert haben zu dürfen. Sie war nicht nur meine Querflötenlehrerin, sondern auch meine Mentorin fürs Leben. Das hat meine Art zu unterrichten und meinen Umgang mit meinen Schülern unwiderruflich geprägt und tut es bis heute. Sie sagte einmal, sie ist nicht hier, um mir vorzuschreiben, wie ich zu musizieren habe. Sie ist lediglich da, um mich auf meinem Weg zu begleiten und zu unterstützen. So wurde für mich die Individualität meiner Schüler das Wichtigste. Im Privatunterricht kann ich mich hundertprozentig den Wünschen und dem aktuellen Stand meiner Schüler anpassen. Das hält mich nicht nur pädagogisch fit. Ich muss wegen Klassenabenden und Übertrittsprüfungen keinen Druck auf meine Schüler ausüben. Ungezwungenes Musizieren, sich selbst ausdrücken zu können und dabei Freude zu haben: Das ist mein Hauptmotto.
Ich hatte sonst in mehreren Fächern geniale Professoren, die mich unheimlich inspiriert haben. Was in meiner Zeit fehlte, war Selbstmanagement und eine umfangreiche pädagogische Psychologie. Nach der heiligen Welt des Studiums traf mich das wahre Leben in der Musikschule mit seiner vollen Wucht. Darauf wurde ich nicht vorbereitet.
PM: Das ist aber sehr interessant! In den Augen vieler ist man als Musiker:in entweder Lehrer:in oder Performer:in. Du bist nicht nur beides, sondern hast bereits auch an diversen spannenden künstlerischen Projekten teilgenommen und auch einige selbst initiiert. Zu nennen wären Deine speziellen Projekte mit Tänzern, aber auch Theater- und Filmprojekte. Spricht das für Deine „natürliche“ Vielfalt oder strebst Du einfach nach Diversität in Deiner künstlerischen Tätigkeit?
GMK: Natürliche Vielfalt ist sehr treffend formuliert! Schon als Kind war ich an mehreren Fächern interessiert. Sport, Literatur, Geschichte, Kunst, Musik, Universum und Sprachen. Die Entscheidung war schwer, da ich in der Tat in mehreren Sparten tatsächlich auch richtig gut war (lacht). Abwechslung und das Globale zu entdecken, das Gesamte rundherum mit einzubeziehen, sind bis heute meine Motoren. Ich wollte immer als Musikerin/Künstlerin und nicht nur als Instrumentalistin gesehen werden. Eine Orchesterstelle wäre in meinem Fall die Falsche gewesen.
PM: Kannst Du uns vielleicht mehr über Deine Projekte „Kunstkollage am Rosenhügel“ und „Neo Noir Art Club“ erzählen? Was waren die Hintergründe dieser Projekte?
GMK: „Kunstkollage am Rosenhügel” war ein spontanes Projekt einer Physiotherapeutin, Alma Hübler, die ich nicht einmal gekannt habe. Sie erhielt das Thema „Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft” nach der Covid-Pandemie als Offenbarung von „oben” und musste es einfach umsetzen. Als ich die Info-Mail des „Wir stimmen ein”-Vereins gelesen habe, dachte ich mir: Wow! Das klingt so außergewöhnlich und zugleich so tief natürlich! Da will ich unbedingt mitmachen, auch ohne Bezahlung! Wir haben uns mit meinem Mann als improvisierendes Duo sofort gemeldet. Was will ich von der Vergangenheit mitnehmen, wie möchte ich in dem „Jetzt“ sein und was wünsche ich mir für die Zukunft? Da konnte ich so frei und kreativ improvisieren, spontan mit dem Sprechchor agieren und mit den Tänzern eine Einheit bilden. Ich durfte sogar zwei meiner Kompositionen aus meinem Album einbauen. Die Magie der spontanen Gefühle in dem „Jetzt“ – das fand ich an dem Projekt so wertvoll.
Die Eröffnung von „Neo Noir Artclub” war eine exklusive Veranstaltung für die Vereinsmitglieder des gleichnamigen Vereins. Die Gründerin und Tänzerin Jasmin Rituper hat mich gebeten, mit einem Live DJ einen nahtlosen Übergang zwischen den zwei Teilen des Abends zu gestalten. DJ Yahya aus Wien schickte mir ein paar seiner funky und house Tracks, ich suchte mir ein paar aus und übte dazu, zu improvisieren. Wir trafen uns erst kurz vor dem Auftritt und ohne einen Tontechniker bekamen wir Probleme mit dem Mikro und den Boxen. Die Fähigkeit, zu improvisieren, hat mich in solchen Situationen schon öfters gerettet, so auch diesmal. Yahya musste nämlich etwas anderes auflegen und ich spielte spontan dazu.
PM: Spricht erneut für Deine natürliche Vielfalt! Ich weiß aber, dass Du in diesem Jahr auch mit Deinem lang geplanten Projekt „SZINTRA – The Meditative Flutist – Meditationsmusik mit Querflötenimprovisation“ gestartet hast. Wie kam es zu diesem Projekt und was sind die Ziele? Worum geht es bei diesem Projekt?
GMK: Ich habe mit 16 die Meditationstechnik Silva Mind Control und Ultra gelernt und lange Jahre ausgeübt. Ich wünschte, ich hätte mehr Disziplin, sie permanent in meinem täglichen Leben einzubauen. Die letzten Jahre waren für mich privat als auch beruflich sehr turbulent. Ich habe erkannt, dass ich etwas „Tiefgründigeres“ machen möchte, etwas, das mir und den Menschen um mich herum mehr Harmonie und Stabilität gibt. Bewusst zu entschleunigen, stehen zu bleiben und die Stille zu schaffen, damit ich meinen eigenen Gedanken zuhören kann. Wahrlich eine Herausforderung in der heutigen Zeit. Die vielen positiven Feedbacks zu meinen Tracks sagen mir, dass es sehr vielen so ergeht wie mir. Meditationsmusik ist etwas, was gebraucht wird und was ich authentisch wiedergeben kann.
PM: Wir sind gespannt auf weitere Stücke! SZINTRA ist doch Dein Künstlername. Unter diesem Namen hast Du im Jahr 2020 Dein Debütalbum „The Fragrance of Memories“ veröffentlicht. Ich weiß aber auch, dass Du ausgerechnet davor eine Babypause hattest. Es scheint, als ob das Mutterdasein Dein Berufsleben verändert hätte. Stimmt der Eindruck?
GMK: Ja! Mutter zu werden, hat mein ganzes Leben komplett auf den Kopf gestellt. Das unbeschwerte, freie Künstlerleben hat sich endgültig verabschiedet. Es kam der große Stillstand, was mich ziemlich erschrocken hat. Ein Album war nie geplant. Ich habe lediglich nach einem neuen Weg gesucht, wie ich den Kontakt zur Musik aufrechterhalten konnte. Die Querflöte war zu laut für ein Baby. So habe ich begonnen, um 5 in der Früh mich mit dem Kopfhörer zum Clavinova zu setzen und spielte einfach los. Es entstanden Melodien, die ich niedergeschrieben habe. Eine bewusste Aussage hatte ich nicht. Ich habe mich von der aufgehenden Sonne inspirieren lassen, die sich mit ihren Strahlen langsam auf den Tasten meines Klaviers und auf dem Notenblatt ausgebreitet hat.
Als meine Tochter 3 geworden ist und ich die Möglichkeit gehabt hatte, wieder ins Berufsleben einzusteigen, kam Covid. An dem Wiederaufbau meiner Klasse und an mehreren Auftrittsmöglichkeiten arbeite ich bis heute. Das Leben mit einem Kind erfordert sehr viel Organisation und viele Kompromisse. Die größte Herausforderung meines Lebens ist Mutter zu sein, aber gleichzeitig auch die schönste. Meine Tochter geht im Herbst in die Schule, da möchte ich beruflich auch mehr Gas geben!
PM: Meines Erachtens hast Du damit nicht nur Deine eigene Vielfalt, sondern auch eine enorme Disziplin sowie Deine Verbundenheit zur Musik bewiesen. Ich würde jetzt gerne aber ganz kurz das Thema wechseln. Klimawandel und Nachhaltigkeit sind aktuell die Top-Trends. Wie sieht es Deines Erachtens in puncto „Nachhaltigkeit“ aktuell in der Musikbranche aus?
GMK: Das Thema „Nachhaltigkeit in der Musikbranche” ist mit Sicherheit ausbaufähig. Ich denke, dass mittlerweile recht viele Künstler bewusst leben und diese Einstellung bei den Konzerten und bei dem ganzen Drumherum mit einbinden. Kombitickets für Eintritt und Bahn, regionale Foodtrucks statt Fastfood für die Fans, sparsames Umgehen mit Strom usw. Wo ich meine Bedenken habe, ist, wenn von Künstlern verlangt wird, politisch aktiv zu werden. Erfolgreiche Musiker:innen können eine Masse an Menschen erreichen und beeinflussen. Bob Marley ist für mich da ein großes Beispiel. Allerdings sollte jeder für sich entscheiden können, ohne dass man ansonsten gleich gedisst wird und als Künstler herabgewürdigt wird.
Alle Künstler:innen sollten erstmal FAIR bezahlt werden. Das wäre für mich der richtige Anfang, denn darüber wird für mein Empfinden viel zu wenig gesprochen.
PM: Danke Dir für Deine Meinung! Die nächste Frage kann ich mir leider nicht ersparen (lacht). Was hältst Du generell von unserem PianoMe-Projekt? Würdest Du Deinen eigenen Proberaum stundenweise mit anderen Musiker:innen teilen?
GMK: Ich finde Euer Projekt genial! Sehr schade, dass in meiner Wahlheimat, Salzburg, nichts angeboten wird. Es ist oft schon schwer genug, eine Mietwohnung zu finden, wo man üben darf. Ich würde gerne für meine Unterrichtstätigkeit für ein paar Tage einen Raum mit anderen teilen. Ich hoffe sehr, dass Eure Plattform bald auch bei uns an Bekanntheit gewinnt. Ich werde sie auf jeden Fall auf meiner Homepage bewerben!
PM: Herzlichen Dank Dir, auch für Deine Meinung! Diese ist uns sehr wichtig! Was sind abschließend Deine Ziele für die Zukunft? Möchtest Du Deine Pläne mit unseren Leserinnen und Lesern teilen?
GMK: Sehr gerne! Ich möchte wieder mehr unterrichten und auftreten sowie weitere Fachbeiträge und Tutorials auf meiner Homepage veröffentlichen. Außerdem möchte ich selbst wieder auf die Bühne zurückkehren und mit anderen musizieren. Unter meinen Plänen sind noch eine Mediationsmusik-CD mit eigenen Kompositionen und mehr Auftritte mit Mantramusik in verschiedenen Besetzungen. Ich hoffe auf weitere spontane Anfragen und spezielle Musikwünsche für die verschiedensten Anlässe!
PM: Liebe Gerda, wir danken Dir für das sehr interessante Gespräch! Wir wünschen Dir alles Gute sowie viel Erfolg mit allem, was Du noch vorhast! Wir bleiben in Kontakt.
GMK: Herzlichen Dank für das tolle Gespräch! Ich wünsche Euch viel Erfolg mit Eurer Plattform!
Copyright Foto: FraGue Moser-Kindler