PianoMe bleibt im Dialog mit unseren Userinnen und Usern und versorgt Euch, unsere liebe Leserinnen und Leser, mit interessanten Infos über die Kunst- und Kulturbranche und gibt Euch interessante Einblicke in die Tätigkeit sowie das „Innere“ gestandener Künstler:innen. Dieses Mal konnten wir Carmen Stefanescu für ein Interview gewinnen: Lest selbst, warum ihr u.a. gerade Wege und vorgezeichnete Pfade schon immer suspekt waren. Wir sprachen auch über ihre aktuellen Projekte sowie über die Frage, was Musizieren für sie persönlich bedeutet.
PianoMe (PM): Liebe Carmen, vielen Dank Dir für Deine Zeit! Es ist uns eine große Freude, dass Du zu einem Interview mit PianoMe bereit bist!
Carmen Stefanescu (CS): Danke für die Einladung! Ich freue mich, hier zu sein. Außerdem finde ich toll und sehr hilfreich, was PianoMe macht! Da nehme ich mir gerne die Zeit für Euch.
PM: Vorstellen müssen wir Dich unseren Leserinnen und Lesern nicht mehr. U.a. die Aachener Volkszeitung hat Dich mal so beschrieben: „Carmen Stefanescu – eine klangsensible, in ihre Klänge hineinhorchende Pianistin, die mit Debussys „Images“ das Publikum verzauberte und aus der ‚Hommage à Rameau‘ geradezu ein musikalisches Narkotikum machte. Ein beglückender Abend.“ Auch vielen weiteren Zeitungsberichten konnten wir viel Lob für Dich entnehmen. Das spricht doch für sich…
CS: (lacht) … und für meine große Liebe zu Claude Debussy. Das ist der Komponist, der mich durchgehend seit meiner Kindheit begleitet und begeistert hat und von dem ich behaupten kann, dass ich mich mit jeder Faser meines Körpers in seine Musik einfühlen kann. Ich spüre sie in meinen Händen.
PM: Sehr interessant! Magst Du uns zunächst etwas über Deine „Wurzeln“ erzählen? Ich weiß zum Beispiel, dass Deine musikalische Reise bereits sehr früh begonnen hat. Bereits mit vier Jahren hast Du Deinen ersten Klavierunterricht erhalten. Mit 6 wurdest Du ins „Liceu de musica“ Deiner Heimatstadt aufgenommen. Als Zwölfjährige hast Du mit dem Klavierkonzert in D-Dur von Felix Mendelssohn debütiert.
CS: Das stimmt! Meine Wurzeln liegen in Bukarest. Ich bin in einer Nicht-Musiker-Familie geboren. Meine Mutter arbeitete als Tontechnikerin beim Rundfunk und brachte die schönsten Aufnahmen mit nach Hause. Sie war mein erster Kontakt zur Musik. Außerdem war da mein Großvater mit seinem Akkordeon, der die Faszination für Tasten in mir weckte. Später folgte unsere Flucht vor dem Ceauşescu Regime durch verschiedene Länder, bis wir in Deutschland ein Zuhause fanden. Mit zehn wurde ich Jungstudentin an der Hochschule für Musik in Aachen. Es folgten zahlreiche Preise bei Wettbewerben und Konzerte.
PM: Das hört sich sehr spannend an! Eine wirklich beeindruckende Reise, die aber anscheinend von Anfang an nicht immer geradlinig war. Mit 18 Jahren hast Du Dein Klavierstudium unterbrochen, um dieses später bei Professor Ulla Graf wieder aufzunehmen und mit Auszeichnung abzuschließen. Diese Unterbrechung hast Du dazu genutzt, um neue Stilrichtungen auszuprobieren und Dein künstlerisches Betätigungsfeld zu erweitern. Daraus entwickelte sich eine langjährige Karriere als Pianistin, Keyboarderin und übrigens auch Studiomusikerin verschiedener Rock- und Popbands, mit denen zusammen Du auch weltweit auf Tourneen warst. Kann man Dich als „Wanderin zwischen den musikalischen Welten“ bezeichnen?
CS: (lacht) Tatsächlich ja. Ja, das kann man definitiv! Ich wanderte zwischen den Welten, nicht nur musikalisch. Mich stieß damals dieses elitäre und steife Gehabe um klassische Musik sehr ab. Ich konnte mir nicht vorstellen, in solchen Kreisen mein Leben zu verbringen, also habe ich mir Alternativen gesucht und gefunden. Ich bin der Meinung, es gibt keine ernste oder unernste Musik, sondern nur gute und schlechte Musik und die findet man genauso in der Klassik wie im Pop, Rock, Chanson oder Jazz.
PM: Beeindruckend! Hat diese „Wanderung“ dazu beigetragen, dass Du mit der Zeit ein eigenes musikalisches Gespür entwickelt hast? Welchen Einfluss hat das auf Deine Klavierspieltechnik und was bedeutet das „Musizieren“ für Dich persönlich?
CS: Das ist eine wirklich gute Frage! Ein eigenes musikalisches Gespür, das bedeutet, mich von der Musik emotional berühren zu lassen. Du spielst nicht immer die Musik, für die du brennst, aber in dem Moment, wo du dich entscheidest, sie zu spielen, füllst du sie mit Leben, mit Deiner Persönlichkeit. Klavierspieltechnik dagegen ist ein Wort, was ich persönlich gar nicht mag. Es klingt so, als würde man die Musik vom Körper trennen. Die Klangvorstellung steuert den Körper und die Bewegung. Das bewusste Legato Spiel habe ich in Florenz bei Irwin Gage gelernt. Seine Tipps waren so wichtig für mich! Den Körper weich und entspannt zu lassen, in den Rücken zu atmen und zu genießen, was ich tue. Musizieren bedeutet, mich besonders lebendig zu fühlen, zu kommunizieren, mich herausgefordert zu fühlen. Das Klavierrepertoire ist ja so riesig, dass ein ganzes Leben nicht dafür reicht, es auch nur ansatzweise kennenzulernen.
PM: Jetzt hast Du eine perfekte Brücke zwischen Deinen musikalischen „Wurzeln“ und „heute“ geschlagen. Lass uns nun über Deine aktuellen Aktivitäten sprechen und mit Deiner Debüt-CD „Kaleidoscope of life“ anfangen. Die Kölnische Rundschau kommentierte Deine CD als „Das Spiel ist so inniglich, dass es ans Herz geht. Eine großartige Interpretin ist über Umwege zurück.“. Wie kam es zu diesem Projekt und was wolltest Du mit dieser CD zum Ausdruck bringen? Da steckt sicherlich mehr, als nur ein „Comeback“, dahinter (lacht).
CS: Ich wollte eine sehr persönliche CD aufnehmen. Es ist ja auch sehr außergewöhnlich, auf einer CD Kammermusik und solistische Werke zu vereinen. Jedes Stück steht für einen Wendepunkt in meinem Leben, deshalb auch der Titel „Kaleidoscope of Life“. Das Streichquintett, welches das Chopin Klavierkonzert auf der CD begleitet, besteht aus Freunden. Wir haben uns in meiner Leipziger Zeit kennengelernt und angefreundet. Ich habe damals Meisterkurse im italienischen Sermoneta begleitet, wir haben zusammen musiziert und eine sehr coole Zeit miteinander verbracht. Jetzt sind wir über die ganze Welt verstreut. Die erste Geige auf Sizilien, die 2. Geige in Barcelona, die Bratsche in Bergen, das Cello in Duisburg und der Kontrabass in Münster. Auf diese Art und Weise, alle noch mal in Köln zu versammeln und eine schöne Zeit miteinander zu haben, war ein besonderes Erlebnis und ich bin sehr dankbar dafür.
PM: Sehr spannend! Mit dem Projekt „Europa, Deine Lieder“ hast Du noch einmal sehr bemerkenswert nicht nur Deine eigene Vielfalt unterstrichen. Während des Konzertabends hast Du Dein Publikum in die Welt europäischer Folklore entführt und auch ihre Verbindung zur Klassik offenbart. Eine sehr interessante Idee! Kannst Du uns bitte mehr über dieses Projekt erzählen?
CS: (Lacht) Auch da war mein Gedanke, die Klassik vom hohen Sockel zu holen, und zu zeigen, wo die Musik eigentlich herkommt. Nämlich aus den Gesängen und der Musik, die Menschen in den Dörfern gemacht haben, um Geburten und Hochzeiten zu feiern, um sich von ihren Lieben zu verabschieden oder um die Sonnenwenden zu markieren und Spaß zu haben. Fast alle Komponisten der Klassik haben sich aus diesem unendlichen Pool der Volksmusik bedient. Sei es Bartok mit seinen rumänischen Tänzen, de Falla mit den 7 canciones populares, Smetana mit den tschechischen Tänzen oder Sibelius mit dem Einfluss Karelischer Musik in seinen Impromptus. Dabei habe ich tatsächlich eine Entdeckung gemacht, nämlich dass der eigentlich als Chopinschüler, Freund, und Herausgeber bekannte Karol Mikuli in der Bukowina geboren ist, und lange vor Bartok rumänische Volksmusik aufgeschrieben und sie für das Klavier solo bearbeitet hat. Die Stücke werden kaum gespielt, deshalb habe ich einige von ihnen in dieses Programm aufgenommen.
PM: Danke Dir! Erst vor ein paar Tagen hast Du Dein neues Projekt „The Voice of Piano“ angekündigt. Kannst Du uns bitte auch mehr über dieses bzw. Dein Projekt verraten?
CS: Danke für diese Frage! Der Ursprung unserer Kommunikation ist die Stimme. Der Ursprung der Musik überhaupt ist Vokalmusik. Meine große Liebe gilt dem Lied. Die Verbindung von Lyrik und Musik gibt beiden eine besondere Tiefe. In meinen Meisterkursen bei Irwin Gage in Florenz habe ich so viele Eindrücke dieses wundervollen Genres mitgenommen, dass ich irgendwann beschlossen habe, ein Programm für Klavier solo mit Liedbearbeitungen und Lyrik zu gestalten. Dabei wollte ich aber nicht nur in der Klassik bleiben, sondern einige meiner liebsten Musikstücke, wie zum Beispiel „The End“ von Doors oder „Hurt“ von Johnny Cash, interpretieren. Da schließt sich der Kreis in meiner Biografie wieder. Bei der Umsetzung dieses Projektes wurde ich mit einem Stipendium des Deutschen Musikrates „Neustart Kultur“ unterstützt.
PM: Wir sind gespannt! Hast Du einen Lieblingsort zum Musizieren? Was beeinflusst Dich bei Deiner künstlerischen Tätigkeit?
CS: Mein definitiver Lieblingsort ist da, wo mein schöner Steinway Flügel steht, den ich mir als Teenager in Hamburg aussuchen durfte. Aber auch der Saal der Franckeschen Stiftungen in Halle, wo meine Videos zum Programm „The Voice of Piano“ entstanden sind, ist zu einem Lieblingsort geworden. Das Zeitgeschehen beeinflusst mich sehr. Als der Ukraine-Krieg im letzten Winter anfing, dachte ich an das Ende von allem, was unser Leben bisher ausgemacht hat. Da habe ich beschlossen, „the End“ von den Doors zu covern. Meine Musik ist eng mit allem, was mich umgibt, verbunden.
PM: Die nächste Frage kann ich mir leider nicht ersparen (lacht). Würdest Du Deinen Klavierraum gelegentlich mit anderen Musiker:innen teilen?
CS: Oh, diese Antwort wird Dich leider nur enttäuschen: mein Klavierraum ist Teil unserer Familienwohnung, die ich mit meinem Mann und unserer Tochter teile. Da ich wunderbare Nachbarn habe, unterrichte ich hier, übe hier und probe mit meinem Ensemble und meinen Kammermusikpartnern. Zeit zum Teilen bleibt da leider nicht mehr übrig. Das würde meine Nachbarn zu sehr beanspruchen. Grundsätzlich finde ich aber die Idee von PianoMe sehr gut! Ihr ermöglicht es vielen Musiker:innen im wahren Sinne des Wortes zu musizieren!
PM: Was sind abschließend Deine Ziele für die Zukunft? Möchtest Du Deine Pläne mit unseren Leserinnen und Lesern teilen?
CS: Ich hoffe natürlich sehr, schöne Konzerte mit meinem neuen Programm „The Voice of Piano“ spielen zu können. Die letzten drei Jahre haben sich so viele Einschränkungen ergeben. Ich hoffe, dass das Publikum nun zurück in die Säle und auch in die kleineren Konzertorte zurückkehrt, sodass die Veranstalter sich wieder trauen, Musiker:innen zu buchen. Was mir auch sehr am Herzen liegt, ist mit meiner Musiker-Community und meinen Schülern ein liebevolles Umfeld zu schaffen, welches nicht auf Konkurrenz und Druck basiert, sondern auf einander Zuhören und Verstehen und Hingabe.
PM: Liebe Carmen, wir danken Dir für das sehr interessante Gespräch! Wir wünschen Dir alles Gute sowie viel Erfolg mit allem, was Du noch vorhast! Wir bleiben in Kontakt.
CS: Auf jeden Fall! Vielen Dank für Euer Interesse und die guten Fragen!
Copyright Foto: Carmen Stefanescu