PianoMe Talks: Interview mit der Konzertpianistin Kledia Stefani

PianoMe Talks: Interview mit der Konzertpianistin Kledia Stefani

Dieses Mal hatten wir das Vergnügen, die Pianistin Kledia Stefani für ein Interview zu gewinnen. Im Gespräch beleuchteten wir unter anderem die aktuelle Situation des Musiklehrer:innenberufs im deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus sprachen wir über ihre derzeitigen beruflichen Tätigkeiten sowie über ihre Motivation und die Hintergründe ihres ehrenamtlichen Engagements als Kinderhospizbegleiterin.


PianoMe (PM): Liebe Kledia, vielen Dank Dir für Deine Zeit! Es ist uns eine große Freude, dass Du zu einem Interview mit PianoMe bereit bist!

Kledia Stefani (KS): Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr auf das Interview mit PianoMe!

PM: Das ist toll, danke! Zuerst wollen wir Dich unseren Leser:innen gerne kurz vorstellen, obwohl Dich viele sicherlich bereits kennen: Bereits als Schülerin hast Du erste Preise bei zahlreichen nationalen Wettbewerben gewonnen und bist infolgedessen als Solistin mit dem Jugendsinfonieorchester Bochum in Albanien und Deutschland aufgetreten. Der Schwerpunkt Deiner künstlerischen Tätigkeit liegt in der Kammermusik. Als Pianistin des Trios „ZAN“ reist Du für Konzerte und Meisterkurse durch Albanien und Deutschland und hast bereits das Album „Ludwig van Tango“ mit Werken von Ludwig van Beethoven und Astor Piazzolla aufgenommen. Zudem bist Du Dozentin an der Folkwang Universität der Künste sowie Pädagogin an einer Musikschule.

KS: Danke für die Vorstellung. Ja, ich arbeite seit 16 Jahren als Lehrbeauftragte an der Folkwang Universität der Künste in Essen und habe in den letzten Jahren an verschiedenen Musikschulen unterrichtet. Ich bin kammermusikalisch in verschiedenen Formationen in Deutschland und Albanien tätig. Ab August 2024 werde ich eine neue Stelle an der städtischen Musikschule Bochum antreten und freue mich sehr auf die Tätigkeit. Ich habe eine besondere Verbindung zur städtischen Musikschule Bochum. Schon zu Beginn des Studiums durfte ich als Solistin mit dem Jugendsinfonieorchester unter der Leitung von N. Koop spielen. Das war eine ganz wichtige und schöne Erfahrung für mich damals.

PM: Magst Du uns zunächst etwas über Deine „Wurzeln“ erzählen? Ich weiß zum Beispiel, dass Deine musikalische Reise bereits relativ früh begonnen hat.

KS: Musik war schon immer da. Ich wuchs in Albanien auf. Durch meine Mutter, die Geigenlehrerin am Musikgymnasium in Tirana ist und meine ältere Schwester, die ebenso Geige spielte, durfte ich das Geigenrepertoire im Alltag summen und mein musikalisches Gehör üben. Mit sechs wollte ich gerne ein Instrument spielen. Meine zukünftige Lehrerin sagte: „Sie hat gute Hände für Klavier“. Und so durfte ich gemeinsam mit meiner Schwester das renommierte Musikgymnasium „Jordan Misja“ in Tirana besuchen. Da war ich in der Musikwelt angekommen.

Meine Lehrerin Nadjezhda Porodini begleitete mich eine lange Zeit und brachte mir bei, was Musikmachen und auch die Suche nach dem schönen Klang für mich bedeuten würden, sowie die Freude, auf der Bühne zu sein und eine neue Sprache kennenzulernen, die alle Menschen erreichen kann.

Ich spielte oft zusammen mit meiner Schwester, die heute Geigerin ist bei den Bochumern Symphonikern und lernte die Welt der Musik kennen, die Wettbewerbe, Prüfungen und Rezitals.

PM: Sehr interessant! Im Rahmen unserer Vorbereitung zum Interview mit Dir sind wir auf den folgenden WAZ-Artikel über Dich aufmerksam geworden: „Kledia Stefani unterstützt die Familie der schwerkranken Mia in Essen – als Kinderhospizbegleiterin.“ Kannst Du uns mehr über die Hintergründe dieses Artikels erzählen?

KS: Sehr gerne! Die ehrenamtliche Arbeit im Kinderhospizverband ist mir sehr wichtig und hat mich sehr geprägt. In der Ausbildung dafür durfte ich ganz wichtige, wertvolle Dinge lernen und konnte so reflektieren, wie ich mein Leben schmieden möchte. Das Leben ist nur ein Segment und besteht nicht nur aus Leistung und Erfolg. Ich durfte lernen, dass es so viele andere Nuancen und schöne Ambitionen geben kann, wie zum Beispiel Kreativität und Empathie. Mich hat die nonverbale Kommunikation und die Liebe zu den kleinen Freuden im Leben fasziniert. Diese darf ich bei meiner ehrenamtlichen Arbeit begleiten, beobachten und schätzen.

PM: Beeindruckend! Wie bist Du zu dieser, aus meiner Sicht sehr bewundernswerten, Tätigkeit gekommen?

KS: Danke Dir! Es war ein innerer Ruf als ich selbst Mutter geworden bin. Ich kann es nicht anders beschreiben (lacht).

PM: Herzlichen Dank Dir für Deine Tätigkeit! In dem bereits erwähnten Artikel bin ich auch noch auf ein sehr interessantes Zitat von Dir aufmerksam geworden. Es ging darum, dass Du mit dieser Tätigkeit etwas dagegen unternehmen wolltest, dass in unserer „leistungsorientierten Gesellschaft“ häufig weggeschaut werde, wenn es um Menschen geht, die nicht ins System passen. Jetzt werde ich versuchen, eine Brücke zu der gesellschaftlichen Anerkennung eines Künstlers zu schlagen. Viele Musiker:innen und andere Freischaffende lieben zwar ihre Arbeit, müssen aber unter prekären Arbeitsbedingungen arbeiten. Es kommt sogar häufiger vor, dass viele Musiker:innen einen Nebenjob zum reinen Überleben brauchen. Heißt das im Umkehrschluss, dass der Musiker:innenberuf von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird? Am Ende hängt ja die Honorarhöhe u.a. von der Höhe der Ticketpreise ab.

KS: Das ist in der Tat ein sehr wichtiges Thema und ich danke Dir für die Frage! Ich bin seit 16 Jahren als Lehrbeauftragte für Korrepetition an der Folkwang Universität in Essen tätig und weiß zu gut, wie schwierig es ist, als Musiker:in mit solchen Verträgen und vielen anderen Nebenjobs eine finanzielle Existenz zu schaffen. Die Honorierung steht nicht in Relation zu den wichtigen und schwierigen Aufgaben des Korrepetitors und der Arbeit für die Vorbereitung dafür.

Verträge, die jedes Semester erneuert werden, die Unruhe und Instabilität bringen, die besonders Musiker:innen, die Familie haben, sehr unter Druck und Leistungsdruck setzen können. Ich habe mich in den vielen Jahren politisch engagiert, in der Hoffnung, dass sich vieles verändert und bessert. Leider lassen sich feste Strukturen und alte Mentalitäten nicht so leicht verändern. Ich wünschte mir, viel mehr Musiker:innen würden sich nicht nur damit abfinden, sondern aktiv für bessere Arbeitskonditionen plädieren.

PM: Danke Dir für Deine Meinung! Kann es sein, dass Musiker:innen selbst meist prekäre Arbeitsbedingungen einfach hinnehmen und damit verhindern, dass die Kultur ein kritischer Raum für den Diskurs über Arbeit, Armut und Ausbeutung werden kann? Oder haben die Künstler:innen einfach keine Wahl?

KS: Ich denke, oft ist es eine Kombination aus „keine andere Wahl zu haben“ und dem Wunsch, die Tätigkeit auszuüben, wofür man ausgebildet worden ist. Und zwar auf der Bühne zu sein und zu musizieren. Und das wird oft nicht angemessen honoriert.

PM: Kann die aktuelle Entwicklung bedeuten, dass es auf lange Sicht keinen Nachwuchs mehr geben wird? Bereits jetzt wird überall ein riesiger Musiklehrer:innenmangel beklagt. Wie nimmst Du die diesbezüglichen Diskussionen junger Musiker:innen an der Hochschule wahr? Sind diese besorgt über die eigene Zukunft?

KS: In der Coronazeit sahen sich sehr viele Musiker:innen mit harten Zeiten konfrontiert. Viele Studierende haben ein Musikstudium in Frage gestellt, als sie gemerkt haben, dass man in vielen finanziellen Herausforderungen vergessen wurde. Auch die neuen Generationen entscheiden sich sehr oft für finanziell sichere Berufe, auch wenn die Begabung und der Wunsch vorhanden ist. Das ist natürlich sehr traurig mitzubekommen und doch verständlich.

PM: Wie siehst Du die aktuelle Rolle des Lehrers bzw. der Lehrerin in der musikalischen Ausbildung?

KS: Die Rolle des Lehrers bzw. der Lehrerin in der musikalischen Ausbildung ist unglaublich wichtig. Wir sollten uns darauf konzentrieren, dass wir den Schüler:innen Inspiration und Kreativität zeigen. Ich mache die Beobachtung, dass oft Studierenden und Schüler:innen beigebracht wird, dem Erfolg hinterher zu rennen. Das halte ich für eine gefährliche Ambition. Ich versuche meine Schüler:innen durch durchdachtes methodisches Unterrichten die richtigen Mittel zu zeigen und beizubringen. Ich schätze Begegnungen mit neuen Persönlichkeiten und versuche die Freude an diesem Beruf oder Hobby weiterzugeben. Diversität und Interesse an Schüler:innen und Menschen helfen mir, bei jedem Schüler bzw. Schülerin auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen.

PM: Jetzt hast Du eine perfekte Brücke zwischen der künstlerischen Identität und der musikalischen Ausbildung geschlagen. Lass uns nun über Deine aktuellen Aktivitäten sprechen und mit dem Trio „ZAN“ anfangen. Wie kam es zu diesem Trio?

KS: Mit Robert Beck haben wir zusammen Kammermusik studiert und haben diese Formation zusammen gegründet. Wir arbeiten zusammen mit Florian Sebald und genießen diese sehr besondere Kombination und die schönen Farben, die diese Besetzung mitbringt, sowie das Repertoire, das vielleicht nicht so bekannt ist wie das klassische Klaviertrio.

PM: Interessant! Hattet Ihr da gleich auch eine Idee, welchen musikalischen Raum Ihr da beschreiten wollt?

KS: Die nicht alltägliche Kombination aus einem Klavier, einem Blas- und einem Streichinstrument inspirierte uns von Anfang an durch ihre zahllosen Klangfarbenmöglichkeiten und ihre Flexibilität, Komponisten aller Epochen zu schaffen, in denen sie abseits der gängigen Kammermusikbesetzungen ihrer Experimentierfreude und ihrem musikalischen Wagemut freien Lauf lassen konnten.

PM: Lass uns bitte kurz über das Album „Ludwig van Tango“ mit Werken von Ludwig van Beethoven und Astor Piazzolla sprechen: Welche besonderen Erfahrungen hast Du bei dieser Aufnahme gemacht?

KS: Unser Trio reiste für Konzerte und Meisterkurse durch Albanien und NRW, gefördert von der deutschen und französischen Botschaft. So durfte ich mein Können einmal wieder in Albanien vorstellen und meine Kultur meinen Kolleg:innen zeigen. Auch die Arbeit dort mit den jungen Musiker:innen war unglaublich wertvoll. Dieses Projekt Ludwig van Tango war für mich eine Möglichkeit, meine Kulturprägungen und den Kulturschock und alles, was dazu gehört, zu verarbeiten und festzustellen, dass Musik die schönste internationale universale Sprache ist.

PM: Was beeinflusst Dich in Deiner künstlerischen Tätigkeit?

KS: Mich hat immer die Verbindung zwischen Musizieren und Persönlichkeit fasziniert. Mein Vater war Philosophie- und Psychologieprofessor. Vielleicht war auch das eine Prägung. Ich bin immer sehr interessiert und neugierig gewesen, Persönlichkeiten als komplexe Unikate zu verstehen. Alle Menschen, denen ich begegnen darf, beeinflussen meine Tätigkeit. Ich versuche, offen zu sein, um Neues lernen zu dürfen, auch was nicht direkt mit Musik zu tun hat. Das bereichert jedoch auch immer meine pianistische Lehrtätigkeit und meine Persönlichkeit.

PM: Die nächste Frage kann ich mir leider nicht ersparen (lacht). Wie findest Du die Idee der PianoMe-Plattform?

KS: PianoMe ist eine ganz tolle und wichtige Plattform für alle Musiker:innen und insbesondere freiberufliche Musiker:innen. Danke für Eure wertvolle Arbeit!

PM: Vielen Dank Dir! Was sind abschließend Deine Ziele für die Zukunft? Möchtest Du Deine Pläne mit unseren Leser:innen teilen?

KS: Ich freue mich auf das nächste Kapitel in der städtischen Musikschule Bochum. Ich freue mich auf die vielen Klavierunterrichtstunden, wo ich hoffentlich von meinem Wissen und meiner Erfahrung ein wenig mitgeben kann und auch darauf, wieder auf der Bühne zu sein und ein tolles Repertoire spielen zu können, mit verschiedenen Formationen.

PM: Liebe Kledia, wir danken Dir für das sehr interessante Gespräch! Wir wünschen Dir alles Gute sowie viel Erfolg mit allem, was Du noch vorhast! Wir bleiben in Kontakt.

KS: Ich danke Euch sehr und freue mich, dass es so eine tolle Plattform gibt, wo wichtige Themen über den Musiker:innenberuf ausgetauscht werden können.


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