Dieses Mal hatten wir das Vergnügen, die Sopranistin Evelina Liubonko für ein Interview zu gewinnen. Im Gespräch teilte sie uns mit, welche Bedeutung die Musik in ihrem Leben hat und wofür sie sich mit ihrer Kunst starkmacht. Wir sprachen auch über ihre aktuelle Tätigkeit und ihre Ansichten zur Rolle der Lehrenden in der musikalischen Ausbildung.
PianoMe (PM): Liebe Evelina, es ist uns eine große Freude, dass Du zu einem Interview mit PianoMe bereit bist! Vielen Dank Dir für Deine Zeit!
Sopranistin Evelina (SE): Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, mit Dir zu sprechen!
PM: Das ist toll, danke! Zuerst wollen wir Dich unseren Leser:innen gerne kurz vorstellen, obwohl Dich viele sicherlich bereits kennen: Du bist Sängerin im Bereich Oper, Operette und Oratorium. Mit Deiner einzigartigen Stimme hast Du bereits unter anderem an Opern- und Konzertorten in England, der Ukraine, Polen, Italien, Frankreich und Deutschland geglänzt. Dein Repertoire umfasst ein breites Spektrum, wobei Deine besondere Hingabe dem Lied- und Konzertrepertoire gilt. Neben Deiner Operntätigkeit widmest Du Dich dem Oratorien- und Konzertrepertoire.
SE: Ganz genau – als vielseitige Künstlerin möchte ich mich nicht nur auf die Oper festlegen – auch wenn sie natürlich unglaublich reich und faszinierend ist. Aber für mich gehört zur Musik noch so viel mehr. Die Welt der Oratorien und der Kammermusik ist genauso lebendig und tief – sie eröffnet andere Räume, andere Arten des Ausdrucks. Es wäre schade, diesen riesigen Schatz einfach beiseitezulassen.
PM: Beeindruckend! Magst Du uns zunächst etwas über Deine „Wurzeln“ erzählen?
SE: Gerne! Ich komme ursprünglich aus der Ukraine, aus einer Familie, in der Musik immer präsent war – auch wenn niemand von uns professionell Musik gemacht hat. Bei uns zu Hause lief ständig Musik, allerdings eher Rock oder Pop als Klassik. Mein Vater hat manchmal Schlagzeug gespielt oder mit Freunden zur Gitarre gesungen – und ich war da oft mittendrin. Diese Momente haben in mir früh die Liebe zur Live-Musik geweckt. Mit sechs Jahren wurde ich dann in eine Musikschule für Klavier und Gesang eingeschrieben – und dort haben meine ernsthaften Beziehungen zur Musik begonnen.
PM: Wann hast Du eigentlich gemerkt, dass Du so eine außergewöhnlich schöne Stimme hast?
SE: Das kam, ehrlich gesagt, nicht auf einmal. Ich hab einfach immer gern gesungen – erst zu Hause, dann in der Schule, im Chor, auf kleinen Bühnen. Ich wusste nur, dass es mir unfassbar viel Spaß macht und dass ich mich beim Singen lebendig fühle. Irgendwann kamen dann Menschen auf mich zu und meinten: „Du hast eine besondere Stimme, mach was draus.“ Das war für mich der Moment, wo ich gemerkt habe – okay, vielleicht steckt da wirklich mehr dahinter. Aber dass sie „außergewöhnlich schön“ ist, so hab ich das selbst nie gesehen – ich hab sie einfach als mein Werkzeug empfunden, mit dem ich ausdrücken kann, was in mir steckt.
PM: Deine vielen Erfahrungen haben Dich sicherlich zu einer vielschichtigen Musikerin geformt. Es stellt sich mir gerade die Frage, ob sich durch die unglaublich großen gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre, wie z.B. die Pandemie und Kriege sowie die damit verbundene Flucht und Vertreibung, Dein Blick auf die Oper und auf musikalische Werke verändert hat?
SE: Ja, definitiv. Ich glaube, in Zeiten wie diesen verändert sich unser Blick auf alles – auch auf die Kunst. Für mich ist Oper längst nicht mehr nur ein ästhetischer Raum oder ein musikalisches Erlebnis, sondern auch ein Spiegel dessen, was in der Welt geschieht. Gleichzeitig muss ich sagen: In vielen Momenten kam auch eine gewisse Ernüchterung. Hinter der idealistischen Fassade steckt oft reiner Zynismus – „nichts Persönliches, nur Geschäft“. Aber das ist natürlich ein großes Thema für sich und vielleicht eher Stoff für ein anders ausgerichtetes Interview. Trotzdem glaube ich fest daran, dass Musik und Kunst in Zukunft noch stärker auf gesellschaftliche Themen und Kontexte eingehen werden – mehr als auf das reine Prinzip „Kunst um der Kunst willen“.
PM: Sehr interessant! Siehst Du dann aus diesem Blickwinkel bestimmte Opernrollen heute ganz anders als noch vor einigen Jahren?
SE: Ja, absolut. Manche Rollen, die ich früher vielleicht eher technisch oder rein musikalisch betrachtet habe, berühren mich heute auf eine viel tiefere Weise. Wenn man selbst Erfahrungen mit Verlust, Unsicherheit oder Neubeginn gemacht hat, erkennt man plötzlich ganz andere Schichten in einer Figur. Zum Beispiel wirken manche Opernheld:innen auf mich heute nicht mehr nur dramatisch oder tragisch, sondern auch unglaublich stark – weil ich ihren inneren Kampf jetzt aus einer ganz anderen Perspektive verstehe. Das macht die Arbeit an den Rollen zwar emotional intensiver, aber auch viel ehrlicher.
PM: Wo wir schon über die Rollen sprechen: Tragik, Schmerz, Hoffnung, um nur einige Eigenschaften zu nennen, kommen in vielen Arien zusammen. Du musst als Sängerin alles geben, um das alles in diesen wenigen Minuten dem Publikum zu singen und auch zu zeigen. Funktioniert das alles mit der Zeit automatisch oder musst Du jedes Mal aufs Neue üben? Kann man sowas überhaupt erlernen oder kann sowas nur durch die entsprechende Erfahrung kommen?
SE: Es ist definitiv eine Mischung aus beidem. Natürlich spielt die Erfahrung eine riesige Rolle – je mehr man erlebt hat, desto mehr kann man aus den eigenen Gefühlen und Erlebnissen schöpfen, um die Tragik, den Schmerz oder die Hoffnung authentisch zu vermitteln. Aber es ist auch etwas, das man üben muss. Es geht nicht nur darum, die Noten zu singen, sondern die Emotionen wirklich zu spüren und auf der Bühne zu leben. Man lernt mit der Zeit, wie man sich selbst in diese intensiven Momente hineinversetzen kann, ohne dass es erzwungen wirkt.
Aber manchmal ist es auch so, dass einige Emotionen sehr leicht rüberkommen, während andere sich völlig unnatürlich anfühlen – besonders, wenn eine Regieanweisung überhaupt nicht mit der eigenen Perspektive oder Interpretation übereinstimmt. In solchen Momenten muss man Wege finden, das zu spielen, was anders ist, als man es selbst fühlt. Das erfordert nicht nur praktische Fähigkeiten, sondern auch mentale Anstrengung und eine starke Willenskraft. Man muss lernen, sich selbst zu überwinden und das zu zeigen, was vom Charakter verlangt wird, auch wenn es sich persönlich nicht immer authentisch anfühlt. Aber am Ende bleibt es doch immer Theater – eine Welt, in der wir unsere eigenen Grenzen überwinden, um die Geschichte zu erzählen.
PM: Und ist Dein Umgang mit Deinen Rollen mehr Reproduktion, Rezeption, Interpretation oder doch Reflexion?
SE: Das ist eine spannende Frage! Für mich ist es eine Mischung aus allem. Natürlich gibt es eine gewisse Reproduktion – man muss die Noten und den Text lernen, die Regieanweisungen umsetzen. Aber genauso wichtig sind für mich die Rezeption und die Interpretation. Es geht nicht nur darum, was man auswendig kann, sondern auch darum, wie man es mit eigenen Gefühlen und Erfahrungen verbindet.
Leider gibt es in unserem Beruf oft Menschen, die behaupten, dass bestimmte Arien, Passagen oder Interpretationen nur auf eine ganz bestimmte Weise gesungen oder gespielt werden dürfen – wegen Regeln, Traditionen oder des „richtigen“ Stils. Das ist etwas, was mich oft enttäuscht, weil es uns enge Grenzen setzt und keinen Platz für unsere eigene, „intime“ Interpretation lässt. Natürlich gibt es allgemeine Prinzipien, die den Stil betreffen, eine korrekte Technik und das, was für das Publikum und die Fachwelt akzeptabel ist. Aber ich habe oft das Gefühl, dass wir in der Jagd nach „Perfektion“ manchmal das verlieren, was uns wirklich individuell und besonders macht.
Es ist ein fortlaufender Prozess des Überdenkens, Ausprobierens und Anpassens, der nie wirklich abgeschlossen ist. Und das macht das Musizieren für mich so spannend und herausfordernd zugleich.
PM: Sehr interessant! Künstler:in zu sein bedeutet für mich auch Kritiker:in, Satiriker:in und in einem gewissen Maße auch Spiegel einer Gesellschaft zu sein. Kunstschaffende dieser Welt lehren uns, Dinge in einem anderen Licht zu betrachten. Das hast Du ja auch angesprochen. Auf der anderen Seite müssen aber viele Künstler:innen unter prekären Arbeitsbedingungen arbeiten. Es kommt sogar häufiger vor, dass viele Künstler:innen einen Nebenjob zum reinen Überleben brauchen. Heißt das im Umkehrschluss, dass die Arbeit der Künstler:innen von der Gesellschaft nicht anerkannt wird? Oder irre ich mich?
SE: Das ist eine sehr wichtige und schwierige Frage. Ich denke, es gibt tatsächlich eine Diskrepanz zwischen der Wertschätzung, die die Kunst in der Gesellschaft bekommt, und den tatsächlichen Arbeitsbedingungen vieler Künstler:innen. Auf der einen Seite wird Kunst hoch geschätzt, besonders in bestimmten Kreisen – man hört oft, wie wichtig sie für das kulturelle Leben und die Gesellschaft im Allgemeinen ist. Aber auf der anderen Seite, wenn es darum geht, Künstler:innen fair zu entlohnen oder ihnen stabile Arbeitsbedingungen zu bieten, gibt es oft eine sehr große Lücke.
Viele von uns müssen unter sehr prekären Bedingungen arbeiten, nicht nur finanziell, sondern auch in Bezug auf Arbeitszeiten, Unsicherheit und den konstanten Druck, sich beweisen zu müssen. Es ist auch keine Seltenheit, dass Künstler:innen gezwungen sind, Nebenjobs zu haben, um überhaupt über die Runden zu kommen. Das macht es schwer, sich vollständig auf die Kunst zu konzentrieren und sie in der besten Weise zu leben.
Die Frage, ob die Gesellschaft die Arbeit der Künstler:innen nicht anerkennt, ist also sehr komplex. Ich würde sagen, dass sie sie einerseits anerkennt, aber andererseits nicht immer bereit ist, sie auch entsprechend zu unterstützen oder zu honorieren. Vielleicht liegt es auch daran, dass Kunst oft als etwas „Zusätzliches“ gesehen wird, als ein Luxus, den man sich leisten kann, wenn man die „wirklichen“ Probleme gelöst hat. Aber ohne Kunst und Kultur würde die Gesellschaft eine riesige Lücke in ihrem emotionalen und intellektuellen Leben haben. Und das ist etwas, was oft übersehen wird.
PM: Wie siehst Du die aktuelle Rolle des Lehrers bzw. der Lehrerin in der musikalischen Ausbildung?
SE: Die Rolle der Lehrenden in der musikalischen Ausbildung ist heute unglaublich wichtig und herausfordernd. Ein Lehrer oder eine Lehrerin sollte nicht nur Technik vermitteln, sondern auch als Mentor:in und emotionale:r Unterstützer:in fungieren. Musik ist etwas sehr Persönliches, und gerade in der Ausbildung geht es darum, den Schüler:innen nicht nur das Handwerk beizubringen, sondern sie auch zu ermutigen, ihre eigene Stimme und Ausdruckskraft zu finden.
Natürlich hängt viel auch von der Schülerin bzw. vom Schüler ab. Wenn jemand bereits auf einem semi-professionellen Niveau ist, muss er oder sie selbst nach Wegen suchen, sich weiterzuentwickeln, denn irgendwann können Lehrende nicht mehr in deinen Körper „hineingehen“ und dir genau zeigen, wie du singen musst. Da ist oft Selbstreflexion gefragt – man muss die eigene Technik analysieren und herausfinden, wie man sich weiter verbessert.
Die Aufgabe der Lehrenden ist es auch, ein sicheres, kreatives Umfeld zu schaffen, in dem Studierende Fehler machen können, ohne Angst vor Kritik zu haben. Gleichzeitig sollten sie den Raum bieten, dass sich die Lernenden entfalten können, ohne ständig dem Bild einer „Perfektion“ zu entsprechen.
Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, sowohl die Liebe zur Musik zu vermitteln als auch den Schüler:innen zu helfen, die Anforderungen der realen Welt zu verstehen und sich ihren eigenen Weg zu bahnen.
PM: Sehr interessant! Und was bedeutet das Musizieren für Dich persönlich?
SE: Musizieren bedeutet für mich vor allem Freiheit und Ausdruck. Es ist meine Art, mich mit der Welt und mir selbst zu verbinden. Wenn ich singe oder auf der Bühne stehe, fühlt es sich an, als könnte ich all die Gedanken und Gefühle, die schwer in Worte zu fassen sind, in Musik verwandeln. Es ist, als ob die Musik mir eine Stimme gibt, die weit über das hinausgeht, was ich normalerweise ausdrücken könnte.
Aber es ist auch eine ständige Herausforderung – man muss immer wieder über seine eigenen Grenzen hinausgehen, Neues entdecken und sich weiterentwickeln. Es geht nicht nur um das technische Können, sondern auch darum, sich selbst zu verstehen und in einem Moment der Musik wirklich „loszulassen“. Deshalb ist es für mich nicht nur Beruf, sondern auch eine tiefe Leidenschaft und ein Teil meiner Identität.
PM: Welche ist Deine liebste Rolle, die am besten zu Deiner Persönlichkeit passt, sodass Du nicht viel daran arbeiten musstest?
SE: Ich habe das Gefühl, dass viele Rollen, die für ein leichtes oder koloratursopranisches Fach geschrieben wurden, ziemlich gut mit meiner Persönlichkeit resonieren. Mir fällt es oft leicht, mich in sie hineinzuversetzen – denn hinter diesen auf den ersten Blick fröhlichen, unbeschwerten jungen Frauen steckt oft viel mehr innere Stärke, Entschlossenheit und ein klarer Wille. Viele dieser Figuren wissen genau, was sie wollen, und stehen auch in schwierigen Momenten fest zu sich selbst.
Gleichzeitig habe ich auch eine andere, eher dramatische und melancholische Seite in mir. Leider gibt es für meine Stimmfarbe nicht viele Rollen, die genau diesen Charakter verkörpern. Deshalb fällt es mir, ehrlich gesagt, schwer, nur eine Lieblingsrolle herauszugreifen – es gibt viele, die auf ihre Weise ein Stück von mir widerspiegeln.
PM: Bald gibst Du bei den Tiroler Festspielen Dein Rollendebüt als Blümenmädchen. Was ist an dieser Rolle so schwer?
SE: Zunächst einmal ist es meine erste Wagner-Rolle, und Wagner zu singen ist immer eine Herausforderung und eine große Verantwortung. Diese Musik unterscheidet sich stark von meinem gewohnten Repertoire. Daher war es notwendig, einen etwas anderen Ansatz zu wählen. Wie Du sicherlich weißt, ist Wagner immer von dichten Orchestrierungen geprägt, mit einem großen Orchestersatz, komplexen Chorszenen und nicht gerade einfachen Gesangspartien und Ensembles. All dies, gepaart mit einer unkonventionellen Regieinterpretation, hat diese Rolle zu einer spannenden Herausforderung für mich gemacht und zu einem unglaublichen Abenteuer, an dem ich mit großer Freude teilnehme.
PM: Interessant! Lass uns bitte kurz das Thema wechseln: Gerade in der Klassikwelt und in der Opernszene hat die MeToo-Bewegung hohe Wellen geschlagen. Hast Du selbst mal unter solchen Übergriffen gelitten oder etwas in der Art beobachtet?
SE: Ja, ich kenne die Bewegung natürlich und auch die verschiedenen Fälle, die öffentlich bekannt geworden sind. Leider musste ich selbst auf meinem Weg auch mit solchen Situationen konfrontiert werden. Es ist schmerzhaft und beängstigend, solche Übergriffe zu erleben oder davon zu hören. Ich denke, dass viele Menschen in dieser Branche ähnliche Erfahrungen gemacht haben, auch wenn darüber oft nicht gesprochen wird.
Im klassischen Musik- und Theaterumfeld, besonders auf der Opernbühne, die häufig von alten Traditionen geprägt ist, kann es schwierig sein, solche Themen offen anzusprechen – gerade wenn von der Entscheidung einer einzigen Person deine gesamte Karriere abhängt. Es ist jedoch wichtig, nicht nur diesen Fällen Aufmerksamkeit zu schenken, sondern grundsätzlich einen anderen Umgang mit Macht und Verantwortung zu finden. Es sollte nicht nur eine einzelne Person die Macht haben, solche Entscheidungen zu treffen. Und wenn solche Vorfälle passieren, müssen sofortige Maßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass sie die Karriere und das Leben von Künstler:innen beeinträchtigen.
Es ist entscheidend, dass wir als Gesellschaft und auch innerhalb der Musik- und Theaterwelt an Veränderungen arbeiten, damit solche Vorfälle nicht mehr toleriert werden. Sie sollten wirklich zur öffentlichen Diskussion und zum Urteil kommen, wenn es objektive Gründe dafür gibt. Jede:r sollte sich sicher fühlen und respektiert werden, besonders in einer so kreativen und kollaborativen Umgebung wie der Oper.
PM: Das Thema mentale Gesundheit wird meines Erachtens für Künstler:innen immer wichtiger. Von einigen erfahrenen Kolleg:innen höre ich zuletzt immer mal wieder, dass das Stressniveau insbesondere seit der Covid-19-Pandemie stark zugenommen hat: Schwierige Arbeitsbedingungen, stetiger Durchsetzungskampf, Berufsdruck, nicht zuletzt aber auch die anhaltende Wirkung der Corona-Pandemie. Irre ich mich?
SE: Du hast vollkommen recht. Die mentale Gesundheit von Künstler:innen ist ein zunehmend wichtiges Thema, da die Belastungen in unserer Branche erheblich sind. Es geht nicht nur um die Folgen der Pandemie, sondern auch um die generellen Arbeitsbedingungen, die Bezahlung und die begrenzte Anzahl an Engagements, die alles noch schwieriger machen.
Die ständige Unsicherheit bezüglich Engagements und die oftmals unzureichende Bezahlung führen zu enormem Stress. Zudem steht man in einem permanenten Wettbewerb um die wenigen verfügbaren Stellen, was zusätzlich belastend ist. Diese Umstände machen die Arbeit der meisten Künstler:innen nicht nur stressig, sondern auch schwer planbar.
Neben der Unsicherheit muss man zudem kontinuierlich in die eigene Karriere investieren, sei es durch Gesangsunterricht, Reisen oder die Pflege von Netzwerken. Dieser unaufhörliche Aufwand lässt wenig Raum, um eine Balance zwischen Berufsleben und persönlichem Wohl zu finden. Das ist eine große Herausforderung, vor allem in einer Zeit, in der sowohl berufliche als auch persönliche Stabilität immer schwerer zu erreichen sind.
Die Branche braucht dringend eine Veränderung in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Bezahlung und langfristige Perspektiven für Künstler:innen, damit wir die mentale Gesundheit stärker in den Fokus rücken können.
PM: Die nächste Frage kann ich mir leider nicht ersparen (lacht). Wie findest Du das PianoMe-Konzept?
SE: Ich finde das Konzept wirklich klasse und sehr praktisch für Musiker:innen. Letzte Woche konnte ich es selbst testen, als ich in Berlin für ein Vorsingen war und dringend einen Raum brauchte, um mich nach der Reise einzusingen. Es hat super funktioniert!
PM: Herzlichen Dank Dir für Deine Meinung! Was sind abschließend Deine Ziele für die Zukunft? Welche neuen Partien würdest Du gerne singen und welche vielleicht nicht?
SE: Vielen Dank für die Frage! Meine Ziele für die Zukunft sind vor allem, mich künstlerisch weiterzuentwickeln und neue Herausforderungen zu suchen. Ich möchte unbedingt Rollen in Opern singen, die mich sowohl gesanglich als auch darstellerisch fordern. Besonders reizvoll finde ich Partien aus dem französischen Repertoire, aber auch komplexe Werke aus dem italienischen und deutschen Bereich.
Es gibt jedoch auch Rollen, bei denen ich mir momentan nicht so sicher bin, ob sie wirklich zu mir passen – zum Beispiel solche, die mehr dramatisch oder mit einem sehr schweren Stimmcharakter verbunden sind. Aber wie auch immer – man kann nie wissen, bis man es ausprobiert hat! Wichtig ist für mich, dass ich mit jeder Rolle wachsen kann und dass sie mich als Sängerin und als Mensch fordert.
PM: Liebe Evelina, wir danken Dir für das sehr interessante Gespräch! Wir wünschen Dir alles Gute sowie viel Erfolg mit allem, was Du noch vorhast! Wir bleiben in Kontakt.
SE: Vielen Dank für das tolle Gespräch! Es hat mir wirklich Spaß gemacht, mich mit euch auszutauschen. Alles Gute und bis bald!
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