PianoMe Talks: Interview mit Xiushi Wu

Interview mit Xiushi Wu - Meisterkurs für Violine

PianoMe bleibt im ständigen Austausch mit seinen Nutzer:innen und versorgt Euch, unsere geschätzten Leser:innen, regelmäßig mit spannenden Einblicken in die Kunst- und Kulturszene. Dabei öffnen wir auch die Türen zur Arbeitswelt und den persönlichen Geschichten erfahrener Künstler:innen. Dieses Mal konnten wir Xiushi Wu für ein Interview gewinnen. Mit ihm sprachen wir über seine aktuellen Projekte und darüber, welche persönliche Bedeutung das Musizieren für ihn hat.


PianoMe (PM): Lieber Xiushi, vielen Dank Dir für Deine Zeit! Es ist uns eine große Freude, dass Du zu einem Interview mit PianoMe bereit bist!

Xiushi Wu (XW): Hallo Rasim, vielen Dank von meiner Seite für diese Gelegenheit. Ich freue mich sehr.

PM: Danke Dir! Deine musikalischen Arbeitsschwerpunkte sind sehr breit gefächert: Du hast ein Studio gegründet, in dem Du privaten Geigenunterricht gibst. Neben dieser Tätigkeit arbeitest Du auch in der Verwaltung im Theater. Darüber hinaus organisierst Du noch musikalische Projekte. In diesem Sommer veranstaltest Du auch einen Meisterkurs für Violine, welcher von renommierten Professor:innen auf dem Gebiet der Violintechnik besetzt ist. Seit Jahren widmest Du Dich zudem der Förderung des kulturellen Austauschs zwischen Deutschland und Asien im Bereich Musik und Kunst. Das spricht doch alles für sich.

XW: Danke für die Vorstellung. Ich bin total gespannt auf den Sommer. Ich habe seit Jahren schon die Überlegung, die Idee eines solchen Meisterkurses umzusetzen. Was mich besonders begeistert, ist, dass drei renommierte Professor:innen dabei sind. Es wird eine gute Gelegenheit für die jungen Talente sein, auf hohem Niveau zu lernen und sich auszutauschen.

Was den kulturellen Austausch betrifft: Ich bin davon überzeugt, dass Musik eine universelle Sprache ist, die Länder, Kulturen und Menschen verbindet. Seit einigen Jahren arbeite ich daran, Projekte in dieser Hinsicht aufzubauen und durchzuführen. Es ist interessant, weil man dabei immer etwas Neues lernt.

PM: Beeindruckend! Magst Du uns zunächst etwas über deine „Wurzeln“ erzählen?

XW: Ich komme zwar nicht aus einer musikalischen Familie, habe aber meinen ersten Geigenunterricht bereits im Alter von 5 Jahren erhalten. Im Jahr 2008 bin ich wegen dem Bachelorstudium nach Deutschland gekommen. Meinen Bachelor of Music habe ich an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf absolviert. Währenddessen hatte ich eine Praktikumsstelle in Koblenz bei dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie, wo ich wertvolle Erfahrungen im Orchesterspiel gesammelt habe.

Allerdings habe ich nach dem Bachelor einen anderen Weg eingeschlagen und Wirtschaft studiert. Nach meinen Studien habe ich Tätigkeiten im Theater aufgenommen, und zwar in verschiedenen Bereichen. Dabei habe ich immer privaten Geigenunterricht gegeben. Meine Kenntnisse sowohl im geigerischen Bereich als auch im organisatorischen Bereich möchte ich gerne kombinieren. Deswegen hatte ich die Idee mit der Organisation eines Meisterkurses.

Die Rolle der klassischen Musik

PM: Sehr interessant! Du bist jetzt seit vielen Jahren im Geschäft. Hat sich der Klassikbetrieb in dieser Zeit stark verändert?

XW: Sicher, es verändert sich ständig. Als Musiker:in merkt man, dass die Konkurrenz immer größer wird. Viele Häuser versuchen, immer jüngeres Publikum zu gewinnen. Auch die Digitalisierung spielt seit einigen Jahre eine wichtige Rolle in der Transformation.

PM: Denkst Du nicht, dass ausgerechnet klassische Musik aktuell etwas zu kurz kommt? Nicht, weil Menschen diese nicht hören wollen. Eher deshalb, weil neue Songs aktuell speziell auf die Anforderungen von Statistiken der Streamingdienstanbieter:innen zugeschnitten werden: Die Stücke werden kürzer, Intros werden ausgelassen, und man konzentriert sich auf die wiederkehrenden „Hooks“, die den Ohrwurmcharakter ausmachen. Diese Songs kommen bei der Jugend eher an. Nicht die klassische Musik. Irre ich mich?

XW: Es ist tatsächlich ein großes Thema. Einerseits sind Pop-Songs, im Verhältnis zur klassischen Musik, für die Jugend attraktiver, weil sie mit dem Text „einfacher“ zu verstehen sind. Andererseits liegt es daran, dass Menschen heutzutage sehr viele Information bekommen, auf Handy, durch Social Media usw. Die Fokuszeit lässt sich eindeutig senken. Bei Pop-Hits kommen daher eingängige Hooks oft in den ersten 10 Sekunden, um die Aufmerksamkeit der Hörer:innen zu fesseln. Je stärker der Ohrwurmcharakter der Songs ist, desto niedriger werden die Skip-Raten auf der Streaming-Plattform sein. Das ist auch ein Grund, warum gerade jüngere Hörer:innen eher zu diesen Formaten greifen.

Diese Algorithmen sind aber nicht für die klassische Musik geeignet. Es sind so viele wunderbare Werke, die längere Sätze mit langsamer Einleitung haben. Auf den Plattformen mit solchen Algorithmen werden diese Werke „bestraft“, weil sie zu schlechten Skip-Raten führen. Deswegen erreichen sie ihre Hörer:innen schwerer. Dafür haben wir zum Glück Plattformen oder Social Media-Kanäle, die das volle Spektrum klassischer Musik abbilden.

PM: Was macht eine:n große:n Geiger:in eigentlich aus und wie lässt es sich auf das Geigenspiel übertragen?

XW: Ich bin vielleicht nicht der richtige für die Frage, da ich noch kein großer Geiger bin. (lacht) Aber grundsätzlich denke ich, dass man als Musiker:in ein gutes musikalisches Verständnis haben muss. Auch die Liebe zur Musik und eine offene Persönlichkeit lassen sich beim Musizieren erkennen.

PM: Wie siehst Du die aktuelle Rolle der Lehrerin bzw. des Lehrers in der musikalischen Ausbildung?

XW: Durch die Jahre habe ich einige Erfahrungen gesammelt. Beim Geigenspiel lernt man nicht nur Geige zu spielen, sondern auch viel anderes, wie zum Beispiel Geduld zu haben, Multitasking zu können, usw. Das versuche ich im Unterricht an meine Schüler:innen zu vermitteln. Diese Sachen können sie auch auf vieles im Leben übertragen. Sie sind nicht nur für das Geigenspiel.

Meisterkurs für Violine

PM: Jetzt hast Du eine perfekte Brücke zwischen dem Klassikbetrieb und der musikalischen Ausbildung geschlagen. Lass uns nun über Deine aktuellen Aktivitäten sprechen und mit Deinem Projekt „Meisterkurs für Violine“ anfangen. Wie kam es zu diesem Projekt?

XW: In meinem zweiten Studium hatte ich schon immer den Wunsch, einen professionellen Meisterkurs in NRW langfristig zu organisieren. Ich kenne einige gute Kurse, die entweder in Süddeutschland oder in Italien sind. Vor der Corona-Zeit habe ich einige kleinere Projekte in der Umgebung Düsseldorf/Duisburg organisiert und dabei schon organisatorische Erfahrungen gesammelt. Im letzten Jahr kam diese Überlegung wieder zurück. Ich habe dann angefangen, einen passenden Ort zu suchen. Nach mehreren Besichtigungen habe ich mich für das Haus Villigst entschieden. Es ist ein perfekter Ort für das Projekt. Danach habe ich auch mit einigen Professor:innen über die Idee gesprochen. So kam irgendwann das Projekt zustande.

PM: Eine sehr interessante Idee! Kannst Du uns bitte mehr über das Projekt erzählen? Wer ist die Zielgruppe? Was erwartet die Teilnehmer:innen?

XW: Sicher. Für den Sommer 2025 ist nur ein Meisterkurs für Violine vorgesehen. Die Zielgruppen sind Studierende sowie talentierte Kinder und Jugendliche. Wir haben drei Professor:innen dabei. Jede:r Teilnehmer:in bekommt einzelnen Unterricht von allen Professor:innen. Sie nehmen auch bei den internen Vorspielabenden sowie beim Abschlusskonzert teil. Das ist quasi Auftrittstraining für die Teilnehmer:innen. Sie werden sich beim Abschlusskonzert vor offenem Publikum präsentieren.  

Alle Teilnehmer:innen werden auch im Haus Villigst untergebracht, sodass sie eine Woche lang mit den Professor:innen sowie miteinander „zusammenleben“. Sie können sich untereinander austauschen und voneinander lernen, weil alle Unterrichtsstunden offen für Zuhörer:innen sind. Man lernt nicht nur beim eigenen Üben, sondern auch vom Zuhören.

PM: Wie siehst Du übrigens die jungen Talente der neuen Generation, und was würdest Du ihnen besonders raten?

XW: Durch die Digitalisierung hat die neue Generation Zugriff auf Information weltweit. Die jungen Talente können davon viel profitieren. Sie sollen möglichst vieles machen, wenn sie die Gelegenheit dazu haben.

PM: Interessant! Und wer wird die Kurse leiten?

XW: Drei Professor:innen werden die Kurse leiten: Prof. Yamei Yu aus Düsseldorf, Prof. Paul Roczek aus Salzburg und Prof. Michael Vaiman aus Tallinn. Ich bin sehr froh, dass sie dabei sein können.

Frau Yu ist Professorin an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf. Sie ist eine großartige Geigerin und Lehrerin. Sie hat Preise bei internationalen Wettbewerben gewonnen, wie z.B. beim Louis Spohr Wettbewerb und bei dem renommierten ARD-Wettbewerb in München. Sie war erste Konzertmeisterin an der Komischen Oper Berlin sowie im Bayerischen Staatsorchester der Bayerischen Staatsoper. Weiters tritt sie auch als Solistin und als Kammermusikerin auf. Ihre pädagogische Fähigkeit lässt sich durch die Ergebnisse überzeugen. Ihre Studierenden bekommen wichtige Stellen in vielen Orchestern deutschlandweit.

Herr Roczek ist heutzutage einer der renommiertesten Koryphä:innen der Violinpädagogik, besonders im Kinder- und Jugendbereich. Er leitet eine erfolgreiche Pre-College Klasse am Mozarteum, die als Kaderschmiede für erfolgversprechende Musiker:innenkarrieren gilt. Seine Schüler:innen haben Preise bei internationalen Wettbewerben gewonnen und treten auf bedeutenden Bühnen auf. Beispielweise ist sein Schüler Ziyu He, der von den Wiener Philharmonikern als jüngster Solist ihrer Geschichte zu einem Auftritt in einem Abonnementkonzert mit Bartoks zweitem Violinkonzert eingeladen wurde.

Herr Vaiman ist Top-Preisträger beim Internationalen Henryk-Wieniawski-Violinwettbewerb. Er ist Professor für Violine an der Musikhochschule Köln, EuroArts Academy und Talent Music Master Academy. Er ist als „Dichter der Violine“ von der Kritik gelobt worden. Neben seiner „technischen Brillanz“ wurde er besonders für seinen „edlen und artikulierten Ton“ und sein „tiefes Musikverständnis“ gelobt. Herr Vaiman gibt zahlreiche Meisterkurse weltweit und seine Student:innen arbeiten in den verschiedenen Orchestern in Spanien, Japan, Deutschland, Israel, in der Schweiz und den USA.

PM: Ich muss an dieser Stelle auch erwähnen, dass PianoMe sehr stolz darauf ist, Partner dieses wunderschönen Events zu sein! Es freut uns sehr, dass wir zusammen mit Dir so ein Projekt, welches auf Jahre geplant ist, realisieren können. Lass uns nun aber wieder zurück zu Dir kommen: Was beeinflusst Dich in Deiner künstlerischen Tätigkeit?

XW: Ja, ich habe mich auch auf unsere Zusammenarbeit sehr gefreut. Es ist für mich wichtig, dass das Projekt auch von anderen geschätzt wird.

Ich bin immer offen, neue Ideen von anderen anzunehmen. Auch eine solche Zusammenarbeit mit Professor:innen hat einen Einfluss auf meine eigene Tätigkeit. Ich spiele zwar inzwischen nur noch wenig auf der Bühne, lege aber viel Wert darauf, mein musikalisches Verständnis weiterzuentwickeln.

Ziele für die Zukunft

PM: Was sind abschließend Deine Ziele für die Zukunft? Möchtest Du Deine Pläne mit unseren Leser:innen teilen?

XW: Ich habe mein Studio in Düsseldorf vor fast 2 Jahren gegründet. Ich wünsche mir, dass es weiterhin gut läuft. Inzwischen plane ich schon für das Jahr 2026. Ich möchte den Meisterkurs zu einem Streicherfestival erweitern. Das heißt, es wird nicht nur Kurse geben, sondern vielleicht auch eine Reihe von Konzerten, bei denen die jungen Musiker:innen aus der Region sich vorstellen können.

PM: Lieber Xiushi, wir danken Dir für das sehr interessante Gespräch! Wir wünschen Dir alles Gute sowie viel Erfolg mit allem, was Du noch vorhast! Wir bleiben in Kontakt.

XW: Vielen Dank nochmal für das heutige Gespräch. Es hat mir viel Freude gemacht. Ich freue mich sehr, dass ich mich und das Projekt bei PianoMe vorstellen kann. Bis zum nächsten Mal!


Copyright Bild: @Xiushi Wu