Umsatzsteuerreform in Bezug auf musikalische Bildung

Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!

Der Musikunterricht in Deutschland unterliegt grundsätzlich der Mehrwertsteuerpflicht, kann jedoch nach § 4 Nr. 21a UStG auf Antrag von der Umsatzsteuer befreit werden. Diese Befreiung greift, wenn die zuständige Landesbehörde bestätigt, dass die Leistungen privater Musikschulen oder anderer Einrichtungen, wie zum Beispiel selbstständig unterrichtende Musikpädagog:innnen, direkt dem Schul- und Bildungszweck dienen und als ordnungsgemäße Vorbereitung auf einen Beruf oder eine staatlich anerkannte Prüfung geeignet sind. Entscheidend ist dabei die Eignung der Einrichtung selbst, nicht die der einzelnen Schüler:innen oder ihre Beweggründe, den Unterricht zu besuchen.

Eine bedeutende Entwicklung in diesem Zusammenhang begann 2019, als die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 4 UStG vorlegte. Dieser sorgte für Unsicherheit dahingehend, ob Musikunterricht weiterhin wie bisher von der Umsatzsteuer befreit bleiben würde. Dank der Intervention von Musikverbänden und dem Deutschen Musikrat wurde der Entwurf jedoch zurückgezogen, mit der Absicht, eine überarbeitete Fassung vorzulegen. Seitdem wird auf eine gesetzliche Neuregelung gewartet.

Vor der letzten Bundestagswahl hatten sich sowohl SPD als auch CDU eindeutig für den Erhalt der Umsatzsteuerbefreiung von Musikunterricht ausgesprochen.1

Der aktuelle Entwurf des Bundeskabinetts zum Jahressteuergesetz 2024 bringt jedoch weitreichende Änderungen mit sich. Demnach wären Leistungen, die primär der Freizeitgestaltung dienen, von der Umsatzsteuerbefreiung ausgeschlossen. Die Befreiung würde sich nur auf Fortbildungsleistungen erstrecken, die von Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielungsabsicht verfolgen. Zusätzlich würde eine Zuständigkeitsänderung greifen: Anstelle der bisherigen Landesbehörden sollen künftig die Finanzämter darüber entscheiden, ob es sich bei einer Unterrichtsleistung um eine Bildungsmaßnahme oder bloße Freizeitgestaltung handelt. Dies hätte zur Folge, dass Musiklehrer:innen und Musikschulen, die keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, ihre Unterrichtsinhalte gegenüber nicht auf Bildungsfragen spezialisierten Stellen rechtfertigen müssten.

Das kürzlich veröffentlichte Schreiben2 aus dem Bundesministerium der Finanzen scheint auf den ersten Blick den Anschein zu erwecken, dass man sich dort um den Fortbestand der etablierten musikalischen Bildungsstrukturen in Deutschland sorgt. Ob diese Absicht jedoch tatsächlich umgesetzt wird, bleibt vorerst ungewiss.

Verschiedene Musikverbände sowie auch PianoMe haben sich bereits kritisch gegenüber den geplanten Neuerungen positioniert. In der Zwischenzeit hat die Sopranistin Saskia Iris Saegeler eine Petition ins Leben gerufen, die unter dem Titel „Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!“ steht. Diese Petition wird von PianoMe ausdrücklich befürwortet, wobei PianoMe sich ebenfalls als Partner an der Seite von Saskia versteht. Zahlreiche Musikverbände haben sich ebenfalls hinter diese Initiative gestellt. Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Artikels hat die Petition bereits die Unterstützung von über 62.000 Menschen gefunden. Im Folgenden werden wir einige statistische Daten aus der Petition präsentieren, um die umfassende Unterstützung und das vereinte Auftreten der musikalischen Gemeinschaft anschaulich zu machen.

Musiker:innen aus ganz Deutschland sprechen sich eindeutig für den Erhalt der Umsatzsteuerbefreiung für qualifizierten Unterricht aus.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels haben sich über 62.680 Teilnehmer:innen an der Umfrage beteiligt, wobei mehr als 60.000 davon aus Deutschland stammen.

Quelle: Petition „Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!“

Die Verteilung der Unterstützer:innen nach Bundesländern wird im folgenden Schaubild anschaulich dargestellt.

Quelle: Petition „Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!“ / PianoMe – eigene Darstellung

Mehr als die Hälfte der Unterstützer:innen wären direkt von der Reform betroffen. Insgesamt ergab sich bei der Betrachtung der Betroffenheit der Unterstützenden folgendes Bild:

Quelle: Petition „Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!“ / Eigene Datenanalyse von PianoMe

Die geplante Reform in ihrer gegenwärtigen Form würde alle Musikschaffenden gleichermaßen betreffen: Sowohl Solo-Künstler:innen und junge Bands als auch bereits etablierte Gruppen und Hobby-Artist:innen. Selbst Musikstudierende wären von der Reform betroffen. Der aktuelle Entwurf sieht, insbesondere was freie Musikschulen betrifft, eine Abschaffung der Umsatzsteuerbefreiung vor, da bei ihnen grundsätzlich eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt wird. Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf den Musikunterricht haben, insbesondere in Bezug auf Preise und Verwaltungsaufwand.

Der Musikunterricht spielt eine zentrale Rolle in der gesamten Wertschöpfungskette und ist entscheidend für alle nachfolgenden Stufen. Eine Umsatzsteuerbefreiung macht den Unterricht für die Kund:innen kostengünstiger und entlastet die Lehrenden von komplexen steuerlichen Formalitäten. Die öffentlichen Musikschulen sind jedoch nicht in der Lage, den gesamten Bedarf an Musikunterricht zu decken – dies zeigt sich deutlich an den langen Wartelisten, die das bestehende Problem unterstreichen.

 Eine mögliche Umsatzsteuerpflicht könnte den Wettbewerb zusätzlich beeinträchtigen und Innovationen im Musikbereich bremsen. Dies wird auch durch zahlreiche Kommentare zur Petition deutlich.

Zusammenfassung

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Gesetzesinitiative weiterentwickeln wird und ob es zu einem entsprechenden Gesetzesbeschluss kommen wird. Sollte die Umsatzsteuerbefreiung durch das neue Gesetz in vielen Fällen nicht mehr greifen, könnte dies neben dem bereits bekannten Herrenberg-Urteil einen weiteren erheblichen Rückschlag für Musikschulen darstellen.

Die Bedingungen für Musiker:innen in Deutschland sind ohnehin bereits problematisch. Die Herausforderungen sind zahlreich und weit bekannt: Sie reichen von unzureichender Infrastruktur, wie Proberäumen, über niedrige Bezahlung bis hin zu Altersarmut.

Auf der positiven Seite ist es bemerkenswert, dass die Musikszene in dieser Angelegenheit entschlossen und geschlossen wie nie zuvor agiert. Die breite Unterstützung für die Petition sollte nicht nur wahrgenommen werden, sondern auch als Impuls für weitere Maßnahmen zur Lösung anderer bestehender Probleme dienen.

Die genannten Probleme betreffen das Herzstück des kulturellen Lebens in Deutschland. Die umfassende Unterstützung für die Petition zeigt deutlich, dass der derzeitige Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 in eine völlig falsche Richtung weist und eine ernsthafte Bedrohung für das kulturelle Leben darstellt.

Diese breite Unterstützung verdeutlicht zusätzlich die Dringlichkeit einer Anpassung. Sie bietet auch Hoffnung für eine entschlossene und vor allem einheitliche Zusammenarbeit aller Verbände und weiterer Akteur:innen, um die längst überfälligen Reformen im Kulturbereich in Deutschland voranzutreiben. Die Notwendigkeit solcher Kooperationen ist offensichtlich. PianoMe ist bereit, sich aktiv an diesen Kooperationen zu beteiligen und eigene Ressourcen einzubringen, um gemeinsam echte Veränderungen zu erzielen.

Die Petition ist weiterhin aktiv. Wer sie unterstützen möchte, hat bis zum 21.09.2024 Zeit, dies zu tun. Die Unterzeichnung ist durch einen Klick auf den untenstehenden Link möglich.

https://www.openpetition.de/petition/statistik/qualifizierter-musikunterricht-muss-umsatzsteuerfrei-bleiben#petition-main


  1. https://www.musikschule-intern.de/schreckgespenst-mehrwertsteuerpflicht-fuer-den-musikunterricht/ (zugegriffen am 08.09.2024) ↩︎
  2. https://www.nmz.de/bildung-praxis/umsatzsteuerfreiheit-der-musikalischen-bildung-der-stand-der-dinge (zugegriffen am 07.09.2024) ↩︎