In unserer Gesellschaft spielen Bildungseinrichtungen eine entscheidende Rolle bei der Förderung künstlerischer Talente und der Bewahrung kultureller Traditionen. Für viele Lehrkräfte und Solo-Selbständige im Kulturbereich ist die Selbständigkeit ein wichtiger Weg, um berufliche Freiheit und kreative Unabhängigkeit zu wahren. Doch diese Arbeitsweise bringt auch spezifische Herausforderungen mit sich.
In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die bedeutende Rolle von Lehrkräften und Solo-Selbständigen im Kulturbereich und beleuchten, warum es essenziell ist, ihre Selbständigkeit zu sichern.
Die Bedeutung der Selbständigkeit und der aktuelle rechtliche Rahmen
Für viele Lehrkräfte und Solo-Selbständige im Kulturbereich ist die Selbständigkeit weit mehr als nur eine Arbeitsform – sie ist Ausdruck ihrer beruflichen Identität. Sie ermöglicht eine flexible und selbstbestimmte Gestaltung des Arbeitsalltags und fördert kreative Entfaltung jenseits der starren Strukturen traditioneller Anstellungsverhältnisse. Deshalb arbeiten die meisten Musikschullehrer:innen auf Honorarbasis.
Im Jahr 2024 entschied das Bundessozialgericht (BSG) im Fall einer Musikschullehrerin aus Baden-Württemberg, dass ihre Tätigkeit als Honorarkraft aufgrund mangelnder unternehmerischer Freiheit als Scheinselbständigkeit einzustufen sei. Ausschlaggebend war dabei nicht die Arbeitszeit, sondern der Grad der Eingliederung in den Betrieb der Musikschule.1
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) und ihre Spitzenverbände nutzten dieses sogenannte „Herrenberg-Urteil“ – eine Einzelfallentscheidung des BSG – als Anlass, den Kriterienkatalog zu überarbeiten. Seither werden freiberufliche Lehrtätigkeiten und künstlerische Dienstleistungen zunehmend als scheinselbständig bewertet. Dies geschieht, obwohl viele Lehrkräfte und Solo-Selbständige bewusst die Freiberuflichkeit gewählt haben und diese aktiv in ihrer Arbeit umsetzen.
Am 15. November 2024 wurde eine bedeutende Gesetzesinitiative zur Sicherung der Selbständigkeit von Lehrkräften und Solo-Selbständigen im Kulturbereich in den Deutschen Bundestag eingebracht. Ziel der Initiative ist es, die rechtliche Stellung, finanzielle Absicherung und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen dieser Berufsgruppen zu stärken. Der Vorstoß reagiert auf die wachsenden Unsicherheiten und Herausforderungen, die durch das Herrenberg-Urteil weiter verschärft wurden. Viele Betroffene sahen sich mit erheblichen finanziellen Risiken und rechtlichen Unklarheiten konfrontiert, die ihre berufliche Existenz bedrohten.
Kontroverse Ansichten und Meinungsverschiedenheiten
Der DTKV-Landesverband Brandenburg hat kürzlich die Petition „Gesetzesinitiative zur Sicherung der Selbstständigkeit von Lehrkräften und Soloselbstständigen im Bildungs- und Kulturbereich“ initiiert und damit den Anstoß für eine mögliche Änderung der aktuellen Rechtslage gegeben. Ziel dieser Initiative ist es, rechtliche Klarheit über den Honorarstatus von selbstständig tätigen Lehrkräften und Solo-Selbständigen im Kulturbereich zu schaffen.
Allerdings wird die Petition nicht vom Verband deutscher Musikschulen e.V. (VdM) unterstützt. Die VdM-Pressesprecherin Claudia Wanner äußerte sich hierzu:
„Der VdM setzt sich als Fach- und Trägerverband der öffentlichen Musikschulen in Deutschland schon immer dafür ein, Lehrkräfte an Musikschulen sozialversicherungspflichtig anzustellen.“2 Der DTKV-Landesverband Brandenburg reagierte mit einer klaren Stellungnahme zur Petition 174929:
„Wir befürworten die Erhöhung der Festanstellungsquote, insbesondere an öffentlichen Einrichtungen. Keineswegs stellen sich die Initiatoren und Unterstützer dieser Petition gegen die Schaffung abhängiger Beschäftigungsverhältnisse. Des Weiteren ist die Aussage falsch, die Petition gefährde den Prozess der begonnenen Umwandlung von Honorarverträgen in Anstellungsverhältnisse an vielen Musikschulen in Deutschland.“3
Auch der Deutsche Musikrat äußerte sich kritisch zur aktuellen Situation. In seiner Stellungnahme zum im Bundestag verabschiedeten Jahressteuergesetz 2024 heißt es:
„… Die großen Rechtsunsicherheiten für soloselbständige Musiklehrende bleiben somit bestehen. Dies kann und darf nicht das Ziel von Gesetzgebungsvorhaben sein und würde zu gravierenden Konsequenzen für die musikalische Bildungslandschaft in Deutschland führen. Hier besteht nach wie vor großer Nachbesserungsbedarf!“4
Warum jetzt dringend gehandelt werden muss
Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir als Gesellschaft Maßnahmen ergreifen, um die Zukunft der Musikschulen zu sichern. Künstlerische Bildung ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil der persönlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern auch essenziell für die Bewahrung unserer kulturellen Identität und Vielfalt.
Um dies zu gewährleisten, müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es ist notwendig, beide Formen der Zusammenarbeit mit Dozent:innen – Festanstellung und Selbstständigkeit – zu ermöglichen. Die Erhöhung der Festanstellungsquote, insbesondere an öffentlichen Einrichtungen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Eine Festanstellung bietet erhebliche Vorteile, darunter soziale Absicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitslosenversicherung, Schutz durch die Berufsgenossenschaft und die vollständige Einzahlung in die Rentenversicherung.
Allerdings stehen viele Musikschulen vor finanziellen Herausforderungen, da in zahlreichen Bundesländern die öffentlichen Mittel für künstlerische Bildung kontinuierlich gekürzt werden. Kommunale Musikschulen arbeiten bereits jetzt mit begrenzten Ressourcen. Die Frage, wie neue Festanstellungen unter diesen Bedingungen finanziert werden sollen, bleibt offen.
Gleichzeitig ist klar, dass für viele Musiklehrkräfte eine Festanstellung nicht infrage kommt – sei es aufgrund von Konzertreisen oder anderen beruflichen Verpflichtungen. Daher ist es an der Zeit, die Rolle und Bedeutung selbstständig tätiger Musiklehrkräfte anzuerkennen und einen klaren rechtlichen Rahmen für ihre Tätigkeit zu schaffen. Nur so können sie weiterhin zur künstlerischen Bildung und kulturellen Vielfalt beitragen.
Ein aktives Engagement für die Zukunft dieser Lehrkräfte ist notwendig, um sicherzustellen, dass Musikschulen auch in den kommenden Jahren erfolgreich bleiben. Eine Möglichkeit, dies zu unterstützen, ist die Petition „Gesetzesinitiative zur Sicherung der Selbstständigkeit von Lehrkräften und Soloselbstständigen im Bildungs- und Kulturbereich“.
Die zentralen Forderungen dieser Petition lassen sich in fünf Punkte zusammenfassen:
- Erhalt der Freiberuflichkeit
- Einführung eines klaren Kriterienkatalogs für Selbstständigkeit
- Recht auf Selbstbestimmung
- Schnellprüfung für bereits sozialversicherte Selbstständige
- Straffreie Übergangszeit und Schutz vor Rückforderungen
Die Petition findet Ihr hier.
- Siehe hierzu auch unseren Artikel „Sind die Musikschulen seit dem Herrenberg-Urteil noch stärker in Gefahr oder steht uns ein Umbruch in der Musikschullandschaft Deutschlands bevor?“ ↩︎
- https://www.musikschulen.de/aktuelles/news/index.html?newsid=3168#:~:text=Der%20VdM%20vertritt%20die%20Position,Indikator%20f%C3%BCr%20eine%20ausk%C3%B6mmliche%20Altersrente. (zugegriffen am 06.01.2025) ↩︎
- https://www.dtkv-brandenburg.de/stellungnahme-des-dtkv-brandenburg-zur-petition-174929 (zugegriffen am 06.01.2025) ↩︎
- https://www.musikrat.de/fileadmin/redaktion/news/2024/10_2024/DMR_PM_Deutscher_Musikrat_nimmt_Stellung_zum_im_Bundestag_verabschiedeten_Jahressteuergesetz_2024.pdf (zugegriffen am 06.01.2025) ↩︎