Sind die Musikschulen seit dem Herrenberg-Urteil noch stärker in Gefahr oder steht uns ein Umbruch in der Musikschullandschaft Deutschlands bevor?

Sind die Musikschulen seit dem Herrenberg-Urteil noch stärker in Gefahr oder steht uns ein Umbruch in der Musikschullandschaft Deutschlands bevor?

In unserer heutigen Gesellschaft spielen Bildungseinrichtungen eine zentrale Rolle bei der Förderung von künstlerischen Talenten und der Bewahrung kultureller Traditionen. Musikschulen, oft als kulturelle Juwelen angesehen, stehen jedoch zunehmend vor Herausforderungen und Bedrohungen, die ihre Existenz gefährden. Die durch die Coronapandemie verursachten Ausfälle haben bereits deutschen Musikschulen und Musiker:innen schwer zugesetzt. Die nachfolgenden Auswirkungen des Ukraine-Konflikts, die Inflationskrise und weitere negative Entwicklungen lassen die Musiklandschaft von einer Krise in die nächste schlittern.

In diesem Blogartikel stellen wir uns die Frage, ob Musikschulen seit dem Herrenberg-Urteil noch stärker in Gefahr sind oder ob wir einen bevorstehenden Wandel in der deutschen Musikschullandschaft erleben. Wie steht es derzeit um die Situation der Musikschulen in Deutschland?


Herrenberg-Urteil

In der Regel beschäftigen kommunale Musikschulen nur eine geringe Anzahl festangestellter Lehrkräfte. Die Mehrheit der Musikschullehrer:innen arbeitet auf Honorarbasis. Kürzlich hat das Bundessozialgericht im Fall einer Musikschullehrerin aus Baden-Württemberg entschieden, dass ihre Tätigkeit als Honorarkraft aufgrund fehlender unternehmerischer Freiheit als Scheinselbstständigkeit anzusehen ist. Dieses Urteil könnte zur Folge haben, dass Honorarkräfte nicht mehr als selbstständige Lehrkräfte an Musikschulen beschäftigt werden dürfen, sondern festangestellt werden müssen. PianoMe hat das Urteil genauer analysiert und wird im Folgenden die wichtigsten Punkte herausarbeiten. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass PianoMe keine rechtliche Bewertung vornehmen kann.

Der zentrale Aspekt des Urteils liegt darin, dass das Gericht nicht den Umfang der Arbeitszeit, sondern das Ausmaß der Eingliederung in den Betrieb der Musikschule als entscheidend erachtete (siehe die Entscheidungsgründe des genannten Urteils). Es nennt Kriterien wie zeitliche und räumliche Vorgaben, die kostenfreie Nutzung von Instrumenten sowie die Meldepflicht bei krankheitsbedingtem Unterrichtsausfall.

In der Diskussion über das oben genannte Urteil geht unserer Ansicht nach oft unter, dass das Gericht bereits im Jahr 2018 mit seinem Urteil vom 14.03.2018 – B 12 R 3/17 R („Gitarrenlehrer-Urteil“) eine klare Linie in Bezug auf Musikschulen festgelegt hatte. Damals wurde die didaktische Freiheit der Lehrkraft als ein entscheidendes Kriterium für die Selbstständigkeit gewichtet. Die spezifischen Gegebenheiten, wie die Raum- und Stundenplanung sowie die Existenz von Lehrplänen, wurden damals als irrelevant betrachtet. Auch im aktuellen Urteil wurde betont, dass das Gericht am „Gitarrenlehrer-Urteil“ festhalten wolle und nur in spezifischen Fällen davon abweiche.

Im Folgenden wird der Sachverhalt des Herrenberg-Urteils dargestellt:

Die Stadt, die eine Musikschule betreibt, schloss am 4.10.2000 mit der Beigeladenen eine unbefristete Vereinbarung über eine „freiberufliche Unterrichtstätigkeit“ im Fach Klavier/Keyboard. Zusätzlich wurden weitere („Honorar“-)Verträge für die Zeiträume vom 1.9.2011 bis zum 31.8.2012 (10.6.2011), vom 1.9.2012 bis zum 31.7.2013 (29.6.2012), vom 1.9.2013 bis zum 31.7.2014 (10.6.2013) und vom 15.9.2014 bis zum 31.7.2015 (28.7.2014) abgeschlossen, wobei die Stundenzahl und die Vergütung angepasst wurden. Die Beigeladene erhielt ein festgelegtes Honorar für geleistete Unterrichtsstunden sowie für Ausfallstunden, die von den Schüler:innen zu vertreten waren. Im Falle von Krankheit oder anderer Verhinderung konnte sie ausgefallene Unterrichtsstunden in Absprache mit der Schulleitung nachholen. Der Unterricht fand persönlich in den Räumen der Musikschule unter Verwendung der dort vorhandenen Klaviere/Keyboards statt und basierte auf den Rahmenlehrplänen des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM). Die Beigeladene orientierte sich dabei an den zeitlichen Vorgaben der Klägerin, die einen Stundenplan erstellte. Gemäß den Verträgen ab September 2011 war die Beigeladene verpflichtet, mindestens einmal im Jahr Schülervorspiele vorzubereiten und durchzuführen sowie zweimal im Jahr an Gesamtlehrer- und Fachbereichskonferenzen teilzunehmen, wofür sie eine gesonderte Vergütung erhielt. Sie war selbst verantwortlich für die Einkommensteuer, Krankenversicherung und Altersvorsorge. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Urlaubsansprüche wurden ausgeschlossen, und es sollte kein Arbeitsverhältnis begründet werden. 1

Wie haben Bundesländer bis jetzt auf das Herrenberg-Urteil reagiert und wie ist die jeweilige Lage?

In vielen Ländern werden die öffentlichen Mittel für künstlerische Bildung kontinuierlich gekürzt, was dazu führt, dass unter anderem Musikschulen mit begrenzten Ressourcen arbeiten müssen. Im Jahr 2023 wurde beispielsweise der Kulturetat in NRW um 7,5 Millionen Euro gekürzt, obwohl im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen eine Erhöhung um 50 % vorgesehen war.2 Die Verantwortung für die Finanzierung wird voraussichtlich auf die jeweiligen Kommunen übertragen. So plant die Stadt Sankt Augustin ab August 2024 nur noch Lehrkräfte in Festanstellung zu beschäftigen.

Das Thüringer Musik- und Jugendkunstschulgesetz ist nun seit knapp anderthalb Jahren in Kraft. Es stellt den Schulen pro Jahr insgesamt knapp sechs Millionen Euro in Aussicht, wenn sie bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. PianoMe hat im Interview mit dem Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Freistaats Thüringen über die Schwächen des Gesetzes gesprochen.

Im Entwurf des Doppelhaushalts 2024/25 hatte der Freistaat Bayern insgesamt Mittel in Höhe von über 27 Millionen Euro jährlich für Musikschulen vorgesehen. Diese Summe würde im Vergleich zum Jahr 2023 eine deutliche Steigerung bedeuten und wäre absolut betrachtet ein Rekordbetrag. Ob dieser Entwurf genehmigt wurde und ob zusätzliche Belastungen, unter anderem aus dem Herrenberg-Urteil, bereits berücksichtigt waren, ist PianoMe nicht bekannt. Im Jahr 2023 hatten die Musikschulen des Bundesstaates berechnet, dass sie etwa eine Million Euro zusätzlich benötigten, um dem Ziel von 15 % näher zu kommen, sowie weitere zwei Millionen Euro für eine langfristige Personalplanung. Dabei waren für die Musikschulen im Haushaltsentwurf für 2023 rund 23 Millionen Euro vorgesehen.3

Vor Kurzem präsentierten Kulturministerin Katharina Binz und Kulturstaatssekretär Prof. Dr. Jürgen Hardeck den Ergebnisbericht der Beteiligungsphase des Zukunftsforums Kultur in Mainz und verkündeten erste Schritte zur Umsetzung des Ergebnisberichts der Kulturentwicklungsplanung. Eine dieser Maßnahmen, die laut Kulturministerin bereits umgesetzt wurde, bestand darin, die finanzielle Förderung der Musikschulen zu erhöhen. Etwa zwei Wochen zuvor wurde das Positionspapier der kommunalen Spitzenverbände zur „Zukunftssicherung der Musikschulen in Rheinland-Pfalz“ veröffentlicht. Diese Verbände äußern Bedenken hinsichtlich der Existenz der Musikschulen in Rheinland-Pfalz. Im Positionspapier wird unter anderem beklagt, dass der Landesanteil an der Finanzierung der Musikschulen trotz steigender Kosten in den letzten Jahren nicht nur nicht erhöht, sondern kontinuierlich verringert wurde. Derzeit beläuft sich dieser Anteil auf rund 3,5 Millionen Euro jährlich. Dies stellt die Kommunen vor erhebliche finanzielle Herausforderungen. Die Bildungsgerechtigkeit leidet darunter, und den Bürger:innen wird letztendlich der Zugang zur musikalischen Bildung erschwert.4 Es bleibt abzuwarten, ob sich in Zukunft Verbesserungen für die Musikschulen in Rheinland-Pfalz ergeben werden. Soweit uns bekannt ist, arbeitete der Landesverband der Musikschulen in Absprache mit dem Ministerium an einem Zukunftskonzept.

Anfang 2023 wurde in Hessen ein Masterplan vorgestellt, der unter dem Motto „Kultur überall“ stand. Unter der Leitung der Kunstministerin Angela Dorn sollte gemeinsam mit den Kommunen unter anderem eine Stärkung der Musikschulen erreicht werden. Dies wurde durch einen Änderungsantrag zum Doppelhaushalt für die Jahre 2023 und 2024 ermöglicht, der eine Anhebung der Förderung für kommunale Musikschulen von bisher 3,2 auf dann 4,4 Millionen Euro vorsah, mit einem jährlichen Anstieg um 600.000 Euro für die genannten Jahre. Trotz dieser Maßnahme halten die Landesverbände eine wesentlich höhere finanzielle Unterstützung für notwendig. Im Vergleich zu anderen Bundesländern müssen die Eltern in Hessen bereits jetzt erheblich tiefer in die Tasche greifen, um ihren Anteil an der Finanzierung der Musikschulen zu leisten. Nur in Schleswig-Holstein dürfte dieser Anteil noch höher liegen. Gemäß dem Ranking des Verbandes deutscher Musikschulen zahlte das Land pro Einwohner im Jahr 2022 etwa 40 Cent für die Musikschulen. Im benachbarten Baden-Württemberg ist dieser Betrag mehr als viermal so hoch.5

Vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie beschrieb die ehemalige Kultusministerin Eisenmann die Rolle der Musikschulen in Baden-Württemberg unter anderem wie folgt: „Kaum ein anderer Bereich fördert die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen so sehr wie die kulturelle Bildung. Die Musikschulen und Jugendkunstschulen leisten einen unverzichtbaren Beitrag dazu in unserem Land. Diese wichtige Aufgabe werden wir nun verstärkt unterstützen als bisher“6. Die letzte uns bekannte Budgetanpassung stammt jedoch ebenfalls aus dieser Zeit. Weitere Informationen für die Jahre ab 2021 liegen uns nicht vor. Unsere Recherche nach öffentlich verfügbaren Daten hat keine weiteren Erkenntnisse ergeben.

Im Jahr 2022 hat das Sächsische Kabinett der neuen Förderrichtlinie des Kulturministeriums für die Kulturelle Bildung zugestimmt. Konkret werden seitdem die Musikschulen, die Jugendkunstschulen, die Netzwerkstellen für Kulturelle Bildung der Kulturräume sowie Projekte der Kulturellen Bildung von landesweiter Bedeutung gefördert. Für das Jahr 2022 standen dafür rund 9 Millionen Euro bereit. Im April 2023 betonte der Regierungssprecher Ralph Schreiber noch: „Musikschulen sind die Basis für das Musikleben im Freistaat“.7 Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags lagen uns keine Informationen über die Reaktion der Landesregierung auf das Herrenberg-Urteil vor. Allerdings beschäftigen sich die Kommunen intensiv mit dem Thema. Die Stadt Chemnitz beispielsweise prüfte, ob die Honorarverträge in Festanstellungen umgewandelt werden können. Die Musikschule Chemnitz hat lediglich 17 festangestellte Lehrkräfte, während 87 weitere Lehrkräfte auf Honorarbasis tätig sind. Im Gegensatz dazu hat die Stadt Leipzig, als Träger der Musikschule Leipzig „Johann Sebastian Bach“, zum 01.02.2024 insgesamt 147 Honorarlehrkräfte in sozialversicherungspflichtige Anstellungsverhältnisse nach TVöD überführt.8

Das Bildungs- und Kultusministerium des Landes Schleswig-Holstein antwortete auf die jüngste Anfrage des NDR, dass es aus seiner Sicht noch nicht möglich sei, die tatsächlichen Folgen des Urteils in vollem Umfang abzuschätzen. Dennoch beschäftige man sich intensiv mit dem Thema. Aufgrund der aktuellen Haushaltslage seien kurzfristige Mittelerhöhungen jedoch nicht umsetzbar.9

„Die Musikschulen leisten viel im Flächenland Niedersachsen und wir sind der Überzeugung, dass nach 20 Jahren eine bessere Finanzierung durch das Land längst fällig ist“, sagte Falko Mohrs, Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, erst im Januar 2024. „Wir wollen die grundsätzliche Finanzierung der Musikschulen auf festere Füße stellen. Hierfür wollen wir uns die gesetzliche Grundlage anschauen, welche Möglichkeiten es gibt.“ – so Mohrs weiter.10 Die Ergebnisse dieser Analysen stehen noch aus und bleiben abzuwarten.

In Bremen wird sich derzeit intensiv mit den Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November auseinandergesetzt. Eine der Folgen war, dass der Bremer Senat einen eigenen Klimafonds aufgelöst und durch einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr in Höhe von 362 Millionen Euro ersetzt hat. Dies hat natürlich Auswirkungen auf verschiedene Bereiche. Beispielsweise musste die Verbraucherzentrale Bremen ihre kostenlose Budget-Beratung zum Jahresende einstellen. Der Haushalt für die Jahre 2024 und 2025 wurde erst vor einigen Tagen, Anfang April 2024, vom Bremer Senat beschlossen. Der Großteil der rund 107 Millionen Euro im Kulturhaushalt soll weiterhin für Theater, Museen, Bibliotheken, VHS und Projekte verwendet werden. Allerdings sollen die Mittel für Künstlerhonorare und für Bürgerhäuser um fünf Prozent erhöht worden sein.11 Es ist bedauerlich, dass wir nicht beurteilen können, ob dabei auch die Auswirkungen des Herrenberg-Urteils berücksichtigt wurden. Wir gehen jedoch nicht davon aus.

Im Saarland dürfte die Situation nicht wesentlich besser sein. Dies lässt sich beispielsweise am Beispiel der Musikschule Sulzbach erkennen. Bereits im Jahr 2023 setzte sich eine Bürgerinitiative aus Saarbrücken für den Erhalt der Musikschule in Sulzbach-Saar ein. Seit Januar dieses Jahres wird die Musikschule Sulzbach nicht mehr vom gemeinsamen Zweckverband der Stadt Sulzbach und der Gemeinde Quierschied betrieben. Finanziell hat nun die Stadt Sulzbach die Verantwortung übernommen. Ob sich in diesem Bundesland mit den Auswirkungen des Herrenberg-Urteils auseinandergesetzt wird, wissen wir bei PianoMe nicht. Bisher sehen wir jedoch keine Anzeichen dafür.

Im Saalekreis (Sachsen-Anhalt) werden sämtliche Honorarkräfte an den drei Standorten der Musikschulen in Merseburg, Querfurt und Halle in befristete Festanstellungen überführt. Allerdings führt diese Umstellung der Beschäftigungsverhältnisse nicht dazu, dass plötzlich 64 neue Vollzeitstellen im Kreis entstehen. Ein beträchtlicher Teil der Honorarkräfte ist bisher auch anderweitig tätig, entweder mit Lehraufträgen an anderen Schulen oder als freiberufliche Musiker oder Mitglieder von Orchestern. Daher erhöht sich der Stellenplan des Kreises nur um 15,5 Vollzeitstellen. Allein durch diese Umstellung steigen die Kosten von bisher 600.000 Euro für Honorarverträge auf 900.000 Euro jährlich für die zunächst bis Ende 2025 befristeten Festanstellungen. Die Mehrausgaben für den Kreis reduzieren sich jedoch effektiv etwas, da er aufgrund der größeren Anzahl von Festangestellten mit zusätzlichen Zuschüssen vom Land in Höhe von etwa 100.000 Euro rechnen kann.12

Berlin: In seiner Sitzung am 19. März 2024 hat der Berliner Senat die Auswirkungen des sogenannten „Herrenberg“-Urteils erörtert. Dabei wurde beschlossen, die Bezirke finanziell zu unterstützen, falls es zu Nachforderungen der Sozialversicherungsträger kommen sollte. Zusätzlich wurden Handlungsempfehlungen herausgegeben, um sicherzustellen, dass der Unterricht weiterhin im bisherigen Umfang angeboten werden kann. Des Weiteren wurde eine dauerhafte Lösung für die Beschäftigungssituation angekündigt.13 Die Berliner Bezirke prognostizierten bereits im Jahr 2023 eine Finanzierungslücke von 2 Millionen Euro für das Jahr 2024 sowie von 3,5 Millionen Euro für das Jahr 2025. Sie warnten vor Einschränkungen im Angebot, falls das Land diese zusätzlichen Kosten nicht im Haushalt für die Jahre 2024/25 ausgleichen würde.14

Auswirkung des Herrenberg-Urteils

Aus unserer Perspektive ergeben sich, basierend auf dem Urteil, verschiedene Fragen. Unter anderem sollten folgende Fragen unserer Ansicht nach beantwortet werden:

  • Ist es für Musikschulen praktikabel, den Honorarkräften unternehmerische Freiheit zu gewähren? Sollten die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass Lehrkräfte über eine absolute didaktische Freiheit verfügen, die als ein entscheidendes Kriterium für die Selbstständigkeit angesehen wird? Ist dies umsetzbar?
  • Die Beschäftigung von Lehrkräften in Festanstellung anstelle von Honorarverträgen führt zu erheblich höheren Kosten. Werden die Kommunen über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügen, um dies zu bewältigen, oder wird das Angebot an öffentlichem Musikunterricht aufgrund der vielerorts knappen Kassen weiter reduziert? Gemäß Daten des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) generieren die Musikschulen im bundesweiten Durchschnitt über die Hälfte ihrer Einnahmen aus öffentlichen Mitteln.

Quelle: VdM15

  • Falls die Honorarlehrkräfte nun in eine Mikro-Anstellung mit Sozialversicherungspflicht überführt würden, ohne dass die Stundenkontingente der Betroffenen aufgestockt würden, würde sich dann etwas an der sozialen oder finanziellen Unsicherheit der Betroffenen ändern? Oder ist eine strukturelle Reform erforderlich?
  • Ist es realisierbar, die Preise entsprechend anzupassen, oder lässt es der Markt nicht zu? Denn es ist möglich, dass Musikunterricht aufgrund verschiedener Faktoren in Deutschland immer weniger erschwinglich wird und zu einem Luxusgut werden könnte.
  • Wie könnte beispielsweise ein Klavierlehrer, der ein paar Mal pro Woche in einer Musikschule unterrichtet, sein Instrument mitbringen, um die Nutzung der Schulinstrumente zu vermeiden, was einer der Aspekte des Urteils war?
  • Sind Projekte mit externen Honorarkräften an den Musikhochschulen in Zukunft noch möglich? In Bezug auf diese Frage verweisen wir auch auf das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg (Urteil vom 27.4.2023 – L 1 BA 12/22). Hier stellte das Gericht fest, dass eine Berufsfachschullehrerin trotz ihres festen Stundensatzes ohne Möglichkeit einer unternehmerischen Beeinflussung kaum ein Unternehmerrisiko trug. Dies wurde jedoch aufgrund der Eigenart der auf die geistige Vermittlung von Wissen ausgerichteten Arbeit als von geringer Bedeutung angesehen. Das Gericht entschied sich daher für eine selbstständige Tätigkeit, da die Lehrerin nicht an ein Curriculum gebunden war und sich ihr Aufgabenbereich sowie ihre organisatorische Einbindung klar von denen der festangestellten Lehrkräfte abgrenzten.16

Diese und viele weitere Fragen müssen wahrscheinlich in naher Zukunft geklärt werden. PianoMe hofft, dass der Wandel in der Musikschullandschaft nicht auf Kosten der Musikschulen und der Musikschüler:innen erfolgen wird.

Gehalt von Musiklehrer:innen in Deutschland: Verdienst an Musikschulen

Bei den öffentlichen Musikschulen sind die Mitarbeiter:innen Teil des öffentlichen Dienstes, einschließlich der Mitarbeiter:innen von Musikschulen, die als Eigenbetrieb oder Zweckverband betrieben werden. Es gibt grundsätzlich keinen Unterschied im Gehalt zwischen fest angestellten und befristet angestellten Mitarbeiter:innen.

In den meisten Fällen kommt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Kommunen (TVöD VKA) zur Anwendung. Innerhalb dieses Tarifvertrags gilt für Musikschulen der besondere Teil Verwaltung (TVöD VKA BT-V). Das Brutto-Gehalt setzt sich im Wesentlichen aus einer Kombination von Entgeltgruppe und Stufe zusammen, wie nachfolgende Tabelle zeigt.

Tabelle: Monatliches Bruttoentgelt in Euro v. 1.3.2024 – 31.12.2024 für Beschäftigte der VKA (Kommunen)17

Die durchschnittliche Vergütung der Musiklehrer:innen an privaten Musikschulen kann beispielsweise aus der StepStone-Analyse entnommen werden.18 So können Musiklehrer:in mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 42.700 € und einem Monatsgehalt von 3.558 € rechnen.

Lokale und gesellschaftliche Auswirkungen

Die potenzielle Schließung von Musikschulen würde nicht nur die Schüler:innen, sondern auch die lokalen Gemeinschaften und die Gesellschaft als Ganzes betreffen. Musikschulen fungieren oft als kulturelle Knotenpunkte, die Gemeinschaften zusammenführen und Raum für künstlerischen Austausch und kulturelle Aktivitäten bieten. Ihr Fehlen könntedas kulturelle Leben einer Region erheblich beeinträchtigen und die künstlerische Vielfalt sowie Kreativität einschränken.

Warum jetzt gehandelt werden muss

Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen ist es entscheidend, dass wir als Gesellschaft Maßnahmen ergreifen, um die Zukunft der Musikschulen zu gewährleisten. Künstlerische Bildung ist nicht nur für die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wichtig, sondern auch für die Bewahrung unserer kulturellen Identität und Vielfalt. Durch Investitionen in Musikschulen unterstützen wir nicht nur die nächste Generation von Musiker:innen, sondern tragen auch zur Stärkung unserer Gemeinschaften und zur Förderung einer lebendigen und vielfältigen Kulturlandschaft bei.

Es ist an der Zeit, die Bedeutung von Musikschulen anzuerkennen und ihnen die erforderliche Unterstützung zukommen zu lassen, damit sie weiterhin einen wertvollen Beitrag zur künstlerischen Bildung und kulturellen Vielfalt leisten können. Nur durch aktives Handeln und Engagement für ihre Zukunft können wir sicherstellen, dass Musikschulen auch in den kommenden Jahren erfolgreich bleiben.

Darüber hinaus ist es zunehmend angebracht, die bisherige Hauptzielgruppe der Kinder und Jugendlichen an Musikschulen neu zu überdenken. Möglicherweise sollte dies durch eine Neuausrichtung von Strukturen und Prozessen, von Zielen, Inhalten und Methoden erfolgen, die auf individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und Teilhabemöglichkeiten ausgerichtet sind. Dazu sollten notwendige Rahmenbedingungen geschaffen werden, die unserer Meinung nach auch marktwirtschaftlichen Elementen berücksichtigen sollten.

Auch die Musikschulen selbst können unserer Ansicht nach ihre Einnahmenseite ohne großen Aufwand verbessern. Dies könnte beispielsweise durch eine effizientere Nutzung ihrer Räumlichkeiten geschehen. Oft bleiben Räume mit Klavieren, Bandproberäume und andere Übungsräume an Abenden und Wochenenden ungenutzt, während in Deutschland ein Mangel an Proberäumen herrscht. So könnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Diese Empfehlung basiert unter anderem auch auf dem Konzept von PianoMe. Es handelt sich hierbei nur um ein Beispiel für eine Effizienzsteigerung, und wir sind sicher, dass es viele weitere Beispiele gibt.


  1. https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/2022_06_28_B_12_R_03_20_R.html (zugegriffen am 01.04.2024) ↩︎
  2. https://kultur-finanzieren.de/ (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  3. https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-musikschulen-foerderung-1.5759388 (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  4. https://www.staedtetag-rlp.de/themen/positionen/ag-ksv24-positionspapier-zukunftssicherung-der-musikschulen.pdf?cid=3end (zugegriffen am 02.04.2024) ↩︎
  5. https://www.hessenschau.de/kultur/musikschulen-in-hessen-fordern-mehr-geld-wenn-nichts-passiert-sterben-wir-aus,hr-thema-musik-musikschulen-100.html (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  6. https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/investitionen-in-bildung-wie-nie-zuvor (zugegriffen am 02.04.2024) ↩︎
  7. https://www.so-geht-saechsisch.de/reisen-entdecken/musikschulland (zugegriffen am 02.04.2024) ↩︎
  8. https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/musikschule-beschaeftigung-honorarkraefte-kultur-news-100.html (zugegriffen am 02.04.2024) ↩︎
  9. https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Urteil-bringt-Schleswig-Holsteins-Musikschulen-in-Not,musikschulen110.html (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  10. https://musikschulen-niedersachsen.de/aktuelles/aktuelle-meldungen/einzelansicht/news/viel-mehr-als-nur-musik/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=b48a415fd5b183a688242824bd58bf5c (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  11. https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/haushalt-bremen-schwerpunkte-100.html (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  12. https://www.mz.de/lokal/merseburg/saalekreis-nimmt-alle-musiklehrer-fest-unter-vertrag-3805733 (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  13. https://www.landesmusikrat-berlin.de/ein-erster-schritt-fuer-die-musikschulen-in-der-aktuellen-situation-22-03-2024/ (zugegriffen am 02.04.2024) ↩︎
  14. https://taz.de/Musikschulen-in-finanzieller-Not/!5971484/ (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  15. https://www.musikschulen.de/musikschulen/fakten/finanzierungmusikschule/index.html (zugegriffen am 02.04.2024) ↩︎
  16. https://kliemt.blog/2024/03/04/hoffnung-fuer-honorarkraefte-im-bildungssektor/ (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  17. https://www.kommunalforum.de/musikschule_verdienst.php (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎
  18. https://www.stepstone.de/gehalt/Musiklehrer-in.html (zugegriffen am 06.04.2024) ↩︎