Wie stimmt man ein Klavier?

Viel Klavier zu üben und das eigene Spiel zu perfektionieren, ist eine Sache. Ein gut gestimmtes Klavier zu haben, ist die andere. Denn ein schlecht gestimmtes Klavier sorgt einfach nicht für die richtige „Stimmung“ beim Klavierspielen. PianoMe verrät Euch heute, was es mit dem Klavierstimmen auf sich hat.

Das Klavierstimmen ist ein sehr komplexes Unterfangen, das laut Fachleuten eher nicht selbst erledigt werden sollte. Nicht umsonst dauert die Ausbildung zu diesem Beruf dreieinhalb Jahre. Wie bei jeder Ausbildung ist selbst dann nicht unbedingt gewährleistet, dass es sich bei dem ausgebildeten Klavierstimmer um einen guten Klavierstimmer handelt.

Gute Klavierstimmer werden mittlerweile immer seltener. Denn dieser Beruf ist angesichts der hohen Anforderungen, die er stellt, sehr undankbar.

Wer Klavierstimmer werden will, sollte diese vier wichtigsten Voraussetzungen erfüllen:

  • sehr viel Ausdauer
  • Feingefühl
  • mechanisches Geschick
  • ein äußerst gutes Gehör

Worin besteht die Arbeit des Klavierstimmens?

Beim Spannen einer Saite gerät diese – ob man will oder nicht -, in drei Bereichen in unterschiedliche Spannung.
A) Der erste Bereich liegt um den Kapodaster herum.
B) Der mittlere Bereich ist der Bereich, der für den Ton ausschlaggebend ist.
C) Der dritte Bereich verläuft vom Steg des Klaviers bis zum Saitenanhang.

Ein Beispiel:

Wir gehen von der häufigsten Situation aus: Eine Saite ist zu tief. Diese Saite muss also gespannt werden, wozu der Stimmschlüssel oder Stimmhammer auf den Stimmwirbel gesetzt wird. Dreht man den Schlüssel im Uhrzeigersinn, steigt der Zug im Bereich A; erst wenn die Kraft groß genug ist, um den Widerstand am Kapodaster zu überwinden, wird die Saite ebenfalls im Abschnitt B angezogen. Kommt der anzuschlagende Saitenteil B zur richtigen Tonhöhe, bestehen längs der Saite drei verschiedene Spannungen, die von den Bereichen A bis C abnehmend sind, denn im Abschnitt C bleibt zunächst die frühere, zu geringe Spannung erhalten.

Würde man die Saite in diesem Zustand lassen, so würde sie sehr bald wieder verstimmt werden, da die Spannungen dazu streben, sich auszugleichen. In jedem Fall wird die Taste der behandelten Note nun sehr energisch und oft vom Klavierstimmer betätigt. Im idealen Endzustand müssten alle drei Teile der Saite gleiche Spannungen aufweisen. Um dies zu erreichen, geht der Klavierstimmer in Schritten vor: Zuerst muss die Saite im Bereich A und B so weit überspannt werden, dass der Abschnitt C genügend angezogen wird. Dann ist sie wiederum so weit zu lockern, dass B endgültig richtig klingt. Nun ist aber wiederum A zu wenig gespannt, was durch erneutes Anziehen (nicht so weit, dass B wieder höher wird) erneut ausgeglichen werden muss.

Was schon theoretisch kompliziert wirkt, ist in der Praxis noch schwieriger: Denn es geht nicht nur darum, die Spannungen für längeres Halten der Stimmung auszugleichen, sondern auch darum, in den nicht angeschlagenen Saitenabschnitten die richtigen Obertöne zu verwirklichen. Dies alles muss mit erheblichem Kraftaufwand am Stimmhammer geschehen.

„Ich habe 400 Stimmungen im Jahr!“

Der Klavierstimmer Frank Michael Kahl aus Baden-Württemberg gewährt Einblick in seinen Berufsalltag:

„Ich habe ungefähr 400 Stimmungen im Jahr. Ich mache das jetzt seit knapp 20 Jahren, das sind so zwischen 8.000 und 10.000, alles zusammen wahrscheinlich knapp 10.000 Stimmungen insgesamt.“

Für jede Stimmung benötigt Frank Michael Kahl etwa anderthalb Stunden. Dafür fährt er wie ein Außendienstmitarbeiter zu seinen Kunden im Südschwarzwald. Diese Tätigkeit macht die Hälfte seiner Arbeitszeit aus. Oft ist auch etwas zu reparieren. Das erledigt der Klavierstimmer dann in seiner eigenen Meisterwerkstatt.

Besonders beliebt: Konzertdienst

Am liebsten hat der Klavierstimmer Konzertdienst. Konzertflügel werden vor jedem Auftritt neu gestimmt, um ein hohes Niveau zu gewährleisten. Manchmal haben die Pianisten detaillierte Anforderungen oder Wünsche an den Klavierstimmer, beispielsweise das Pedal anders einzustellen oder die Intonation zu ändern.

„Ich sitze dann beim Konzert hinten drin, höre zu und muss eventuell auch mittendrin nachstimmen“, erzählt Frank Michael Kahl. „Toll ist, wenn dem Pianisten das Klavier wirklich liegt, dann springt der Funke über, dann knistert es. Das sind die Highlights!“

Klavierstimmer im Kino

Ich kann mich an einen Kinofilm von 2012 erinnern, in dem auch ein Klavierstimmer vorkommt. Der Film ist von Christian Petzold und heißt „Barbara“. Er handelt von einer jungen Ärztin in der DDR, die einen Ausreiseantrag gestellt hat und zur Strafe in ein trübsinniges Kaff versetzt wird. Dort erfährt sie am eigenen Leib, dass nichts ohne Beziehungen läuft. Und so verhilft ihr ein netter Kollege zu einem Klavierstimmer. Der Film hat mich so stark beeindruckt, dass ich – mit Erlaubnis von Christian Petzold – 2014 ein Theaterstück daraus gemacht habe.

Was hat das alles mit den Klavier-Übungsräumen und Musik-Proberäumen von PianoMe zu tun?

In den Überäumen von PianoMe stehen großteils frisch gestimmte Klaviere und Flügel. Das ist ein wichtiger Punkt in unseren Qualitätsstandards. Denn wir wissen: Wer einen Raum zum Klavierüben bucht, erwartet ein gut gestimmtes Instrument. Nur wenn alles stimmt, kommt auch gute Stimmung beim Pianisten auf!

Foto:

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Piano tuning is considered one of the best trades for the blind (Reeve 041518)

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