Der älteste Konzertpianist der Welt

Ein paar Tage nach Ostern las ich einen Bericht über den ältesten Konzertpianisten der Welt. Krasse Zahlen: Er unterrichtet seit 73 Jahren Musik an der Universität und steht seit 1946 fast ohne Unterlass auf der Bühne. Ich fragte mich sofort: Wie macht er das? Ist es die Musik, die sein Gedächtnis jung hält? Sind Pianisten länger fit? PianoMe hat recherchiert und verrät Euch das Ergebnis.

Erst einmal die Fakten: Der älteste Konzertpianist der Welt ist Menahem Pressler, geboren 1923. Als Max Pressler wuchs er in Magdeburg auf, musste seine Heimat aber 1939 während des NS-Regimes in Richtung Palästina verlassen. Seine Familie hatte Glück im Unglück: Sie bekam das letzte Schiff von Triest nach Haifa; es fuhr nicht wieder zurück, da am Tag der Abreise Italien in den Zweiten Weltkrieg eintrat.

Heute lebt Menahem Pressler in London und in Bloomington in den USA, wo er seit 1945 (!) an der Jacobs School of Music der Indiana University unterrichtet. In der vergangenen Woche stand der 94-Jährige in Berlin im Kammermusiksaal auf der Bühne – mit dem Schumann Quartett.

Wie funktioniert das Gedächtnis des Jahrhundertpianisten?

Manche alltäglichen Dinge und Namen sind dem 94-Jährigen nicht adhoc präsent, aber um sich zu erinnern, wie seine Partien funktionieren, muss er nur sein Gedächtnis bemühen. Alles ist gespeichert! Beeindruckend: Menahem Pressler ruht sich nicht auf den Werken aus, die er schon kennt, sondern stellt sich auch neuen Herausforderungen. Gerade hat er das Klavierquintett von César Franck neu ins Repertoire aufgenommen.

„Ich muss jetzt Klavier üben!“

Und so beendet er das Interview mit dem Tagesspiegel darauf, jetzt Klavier üben zu müssen. Ist das also das Geheimnis seines Fitness-Erfolges: nicht zu pausieren, sondern sich immer weiter zu fordern? Wir haben recherchiert:

Wer als Kind ein Musikinstrument erlernt, bleibt im Alter länger geistig fit

Die konkreteste Antwort auf unsere Frage fanden wir bei der Alsheimerinfo der Firma Merz:  Demnach schult das Erlernen eines Musikinstrumentes in der Kindheit nicht nur das Gehör, das Rhythmusgefühl und das Melodieempfinden. Es zeigt auch positive Auswirkungen auf die Gedächtnisleistung im Alter. Dies haben laut Merz Ergebnisse einer aktuell veröffentlichten US-amerikanischen Studie gezeigt.

In dieser Studie untersuchten Dr. Brenda Hanna-Pladdy und Dr. Alicia MacKay vom Landon Center on Aging der University of Kansas mit Hilfe kognitiver Testverfahren die Gedächtnisleistung von 70 gesunden Senioren im Alter von 60 bis 83 Jahren. Die Studienteilnehmer wurden in drei Gruppen unterteilt:
  • Senioren, die in der Kindheit kein Musikinstrument erlernt haben,
  • Senioren, die in der Kindheit ein Musikinstrument für ein bis neun Jahre erlernt haben und
  • Senioren, die in der Kindheit ein Musikinstrument für zehn Jahre oder länger erlernt haben.

Wer als Kind den längsten Klavierunterricht hatte, schnitt am besten ab

Das Ergebnis: Die Studienteilnehmer mit dem längsten Instrumentalunterricht in der Kindheit schnitten bei den kognitiven Testungen am besten ab. Sie zeigten bessere Leistungen als die Nichtmusiker – sowohl hinsichtlich der nonverbalen und verbalen Gedächtnisfunktionen als auch der exekutiven Funktionen, die u. a. für Aufmerksamkeitsprozesse und zielgerichtete Handlungen eine Rolle spielen.

Interessanterweise war dabei nicht entscheidend, ob das Instrument nach dem Erlernen kontinuierlich weiter gespielt oder im Laufe des Lebens aufgegeben wurde, sondern lediglich der Beginn und die Dauer des Instrumentalunterrichts in der Kindheit.

Dieses Phänomen lässt sich möglicherweise darüber erklären, dass das Erlernen eines Instruments die neuronale Plastizität fördert, d. h. die Fähigkeit der Nervenzellen, sich bei gezielter Aktivierung in ihren funktionalen und strukturellen Eigenschaften zu verändern. Diese bildet die Grundlage für Lern- und Gedächtnisvorgänge und ist im Kindesalter am größten.

Neben Musik spielen auch Sport, Bewegung und soziale Kontakte eine Rolle

Glaubt man Professor Mathias Berger, dem ärztlichen Direktor der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie an der Freiburger Uniklinik, sind auch Sport und Bewegung für ein gut funktionierendes Gehirn im Alter unverzichtbar: Das Gehirn verfügt über gewaltige Speicherkapazitäten; die Datenmengen von zwei Millionen CDs können darin Platz finden. Im Hippocampus, einer Hirnregion, die für das Lernen eine wichtige Rolle spielt, entstehen täglich 9.000 neue Nervenzellen, die sich eben am besten durch Sport aktivieren lassen. Generell ist alles gut, was die Durchblutung fördert. Kontraproduktiv sind Rauchen und Bluthochdruck. Wichtig ist es, dem Gehirn Angebote zu machen: Soziale Kontakte pflegen, Musik üben, Tanzen, Golfspielen oder eine neue Sprache lernen – für Mathias Berger ist es dafür nie zu spät.

Training ist das A und O

Auch die Huffington Post stellt diesen Anspekt heraus: Das Gehirn ist ein Muskel, der sich so verhält wie andere Muskeln auch. Also gilt: Training verbessert die Leistung und hält den Muskel auch im Alter fit. Wer ein Instrument spielt, trainiert das Gehirn mehr als andere – und bleibt daher laut einer US-Studie im Alter länger geistig fit.

Von Pianisten lernen

Aber nicht jeder, der fit wirkt, ist es auch bis ins Detail. Hier können wir wieder unser Augenmerk auf einen Pianisten richten: Artur Rubinstein, der große polnische Pianist, der 1982 im Alter von 95 Jahren starb und sechs Jahre zuvor sein letztes Konzert gegeben hatte, hatte offenbar ein paar spezielle Tricks auf Lager: Um den Eindruck zu erwecken, besonders schnelle Passagen mühelos zu bewältigen, spielte er davor einfach besonders langsam.

Quelle Bild: https://pixabay.com/de/menschen-junge-musik-brown-finger-316500/

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